Greenwashing

Früher „nice to have“, heute unabdingbar in vielen Unternehmen: Nachhaltigkeit. Entsprechende Produkte und ein klares Bekenntnis zum Umweltschutz kann über kauffreudige Verbraucher und solvente Kundinnen entscheiden. Diese erwarten heute aber meist auch, dass Unternehmen Verantwortung übernehmen, indem sie die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihres Geschäftsmodells kennen und im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung steuern.
Greenwashing ist eine Marketingpraxis, bei der Unternehmen sich und/oder ihre Produkte und Dienstleistungen umweltfreundlicher oder nachhaltiger darstellen, als sie tatsächlich sind.
So entstehen CO2-neutrale Flüge, ein klimaneutraler Paketversand und recycelbare Kaffeemaschinen-Kapseln. Doch oft sind Produkte und Dienstleistungen nur „grüngefärbt“ und nicht wirklich nachhaltig. Professor Dr. Gregor Dorfleitner ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre VII, insbesondere Finanzierung, an der Universität Regensburg und forscht mit seinem Team zum Phänomen des sogenannten „Greenwashing“ und zu Nachhaltigkeit im Finanzsystem.
Interview

Was motiviert Unternehmen zum Greenwashing, Herr Professor Dorfleitner?
Ganz einfach, es gibt gewisse Vorteile, wenn ein Unternehmen nachhaltig ist. Zum Beispiel kann es bessere Kundenbeziehungen aufbauen, höhere Preise für seine Produkte verlangen oder günstige Finanzierungsbedingungen erhalten. Ein Unternehmen kann sich ehrlich um Nachhaltigkeit bemühen, doch das ist oft teuer oder schwierig. Daher gibt es den Anreiz, sich besser darzustellen, als man tatsächlich ist, um dennoch die Vorteile genießen zu können – und das ist dann Greenwashing.
Im Einklang mit der Umwelt handeln, soziale Belange fördern, ethische Unternehmensführung praktizieren: Ist es profitabel, dies über die gesetzlichen Vorgaben hinaus zu tun?
Das ist eine gute Frage. Vorweg: in der EU sind die gesetzlichen Vorgaben schon recht hoch, zumindest im Vergleich mit anderen Ländern und Regionen der Welt. Ob nachhaltiges Handeln profitabel ist, hängt auch davon ab, wie stark sich ein Unternehmen dabei von der Konkurrenz abhebt. Des Weiteren spielt es eine Rolle, welche Nachhaltigkeitsaspekte man verfolgt: Es gibt ja sehr viele davon, die in einem ESG-Rating typischerweise aggregiert zusammengeführt werden. Und manche davon sind tatsächlich profitabel, andere senken schlicht Risiken und wieder andere sind eher neutral, was den wirtschaftlichen Wert betrifft.
ESG ist die Abkürzung für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) und gilt als das dreidimensionale Koordinatensystem der Nachhaltigkeit.
Haben Sie Beispiele?
Wenn Sie beispielsweise gute Personalprogramme und innovative Arbeitszeitmodelle anbieten, dann ist das einerseits soziale Nachhaltigkeit und andererseits langfristig ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor. Es gibt viele Aspekte, mit denen man Risiken reduzieren kann, zum Beispiel wenn man als Unternehmen eine kluge langfristige Nachhaltigkeitsstrategie hat. Bei den neutralen Aspekten ist es schwierig, das allgemein festzustellen. Dennoch ein Beispiel: In einer empirischen Studie haben wir festgestellt, dass Produktsicherheit keinen Einfluss auf die Rentabilität hat – wohl, weil sie bereits stark gesetzlich geregelt ist.
Können Banken prüfen, ob Richtlinien zu Environmental Social Governance (ESG) in „grünen“ und „sozialen“ Projekten eingehalten werden?
Ja, das können sie ganz gut, die meisten Unternehmen, für die das zutrifft, haben ja eine Nachhaltigkeitsberichterstattung. Viele Banken nutzen dafür standardisierte Prüfmechanismen und ESG-Ratings, um die Einhaltung besser bewerten zu können. Aber natürlich kann es auch hier Aspekte von Greenwashing geben.
Beim Blick auf die politische Weltlage: Gehen Sie davon aus, dass ESG-Verpflichtungen künftig im internationalen Finanzsektor an Bedeutung verlieren?
Diese Frage ist wichtig, aber schwer zu beantworten. Tatsächlich könnten ESG-Verpflichtungen an Bedeutung verlieren. Aber ob es sicher dazu kommt, kann ich nicht sagen. Was auf jeden Fall bleiben wird, ist die freiwillige Orientierung an (einigen) ESG-Kriterien, denn hier geht es darum, ob Unternehmen langfristig eine nachhaltige Strategie verfolgen. Denkbar ist auch, dass der Begriff ESG verwässert und durch etwas anderes ersetzt wird. So wird in der Wissenschaft bereits das Konzept der rationalen Nachhaltigkeit diskutiert. Dabei geht es genau um die vorhin genannten profitablen und risikomindernden Nachhaltigkeitsaspekte im Handeln von Unternehmen. Es ist schwer vorstellbar, dass sich die Finanzwirtschaft in Zukunft gänzlich davon verabschieden wird.
Sustainable Finance oder Nachhaltige Finanzwirtschaft bezeichnet die Berücksichtigung von Umwelt-, sozialen und Unternehmensführungsaspekten in den Entscheidungen von Finanzakteuren.
Publikationen
Manuel C. Kathan, Sebastian Utz, Gregor Dorfleitner, Jens Eckberg, Lea Chmel, What you see is not what you get: ESG scores and greenwashing risk, Finance Research Letters, Volume 74, 2025, 106710, ISSN 1544-6123, https://doi.org/10.1016/j.frl.2024.106710
Dorfleitner, G., Utz, S. Green, green, it’s green they say: a conceptual framework for measuring greenwashing on firm level. Rev Manag Sci 18, 3463–3486 (2024). https://doi.org/10.1007/s11846-023-00718-w
Dorfleitner, G., Utz, S., & Wimmer, M. (2017). Patience pays off – corporate social responsibility and long-term stock returns. Journal of Sustainable Finance & Investment, 8(2), 132–157. https://doi.org/10.1080/20430795.2017.1403272
Kontakt und Links
Zu Professor Dr. Gregor Dorfleitner
UR Research: Dynamics in the Global World
UR Research: Material Worlds and Sustainability

© Universität Regensburg | Interview: Tanja Wagensohn
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