Als leitender Oberarzt für Lehre am Zentrum für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie (Direktor: Prof. Dr. Lukas Prantl) hat Prof. Silvan Eisenmann mit seiner Arbeitsgruppe einen innovativen, smartphonebasierten Mikrochirurgiekurs entwickelt und etabliert. Im vergangenen Jahr wurden er und sein Team dafür mit dem Innovationspreis der UR in der Kategorie “Lehrveranstaltungen” ausgezeichnet. Wir haben nachgefragt. 

Bei der Preisvergabe des Lehrinnovationspreises. Vordere Reihe (von links): Frau Kerstin Steer, Frau Jasmin Lenhard, Prof. Dr. Silvan Eisenmann, Prof. Dr. Nikolaus Korber Zweite Reihe (von links): Herr Dr. Stephan Giglberger, Priv.-Doz. Dr. Marc Rüwe, Dr. Andreas Eigenberger, Prof. Dr. Dr. Lukas Prantl. Zusätzliche Preistragende (nicht abgebildet): Dr. Andreas Siegmund, Prof. Dr. Dr. Alexandra Anker, Prof. Dr. Schratzenstaller. I Foto: Graf

 

Herr Prof. Eisenmann, wie kann man sich eine Kombination aus Smartphone-Technologie und 3D-gedruckten Trainingsphantomen vorstellen?

Die Studierenden spannen ihr eigenes Smartphone – ganz im Sinne des „Bring your own device“-Prinzips – in ein Stativ und nutzen es als Ersatz für ein Operationsmikroskop. Mithilfe der digitalen Zoomfunktion des Videomodus wird das Operationsfeld vergrößert dargestellt, sodass feinste mikrochirurgische Bewegungen sichtbar und trainierbar werden. Parallel dazu kommen eigens entwickelte 3D-gedruckte Nahtphantome zum Einsatz, in die künstliche Silikongefäße integriert sind. Diese Gefäße ähneln in Elastizität und Struktur echten biologischen Gefäßen. So können die Studierenden selbstständig mikrochirurgische Anastomosen durchführen und anschließend mit einer integrierten Perfusionsvorrichtung die Dichtigkeit ihrer Nähte überprüfen – damit wird der sog. „Patency-Test“ simuliert.

Wie kam es zur Entwicklung dieses innovativen Lehrkonzepts?

Die Idee entstand aus der Beobachtung, dass operative Fächer – insbesondere die Mikrochirurgie in der Plastischen Chirurgie – im Medizinstudium bislang kaum praktisch vermittelt werden können. Gründe dafür sind die hohen Kosten und der enorme technische Aufwand, der mit klassischen OP-Mikroskopen und Instrumentarien verbunden ist. Das Zentrum für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie in Regensburg wollte diesen Zustand ändern und Studierenden ermöglichen, mikrochirurgische Basistechniken selbst zu erlernen. Die Lösung war, alltägliche digitale Technologien wie Smartphones kreativ in die chirurgische Ausbildung zu integrieren – kombiniert mit innovativen 3D-gedruckten Trainingssystemen, die im eigenen Haus entwickelt wurden.

Was sind die Vorteile?

Das Konzept ist kostengünstig, skalierbar und unabhängig von klinischen OP-Bedingungen. Es erlaubt Studierenden, mikrochirurgische Grundfertigkeiten eigenständig und gefahrlos zu üben – mit unmittelbarem Feedback. Die Phantome sind realitätsnah, wiederverwendbar und durch den 3D-Druck leicht reproduzierbar. Darüber hinaus ermöglicht die Smartphone-Technologie eine flexible Nutzung: Studierende können ihr eigenes Gerät verwenden, benötigen keine teure Spezialausrüstung und profitieren gleichzeitig von einem hohen Grad an Standardisierung. Das Konzept weckt zudem nachweislich Begeisterung für die Mikrochirurgie – belegt durch exzellente Evaluationen und steigendes Interesse an unserem Fachgebiet.

Wie wurde das Projekt in den Routinelehrbetrieb der Humanmedizin integriert, und wie reagieren die Studierenden auf das neue Lernformat?

Der Mikrochirurgiekurs wurde im Sommersemester 2023 erstmals im regulären Curriculum der Humanmedizin an der Universität Regensburg angeboten. Er besteht aus einem einführenden Kurzvortrag und einem intensiven praktischen Übungsteil. Während der Übungen können die Dozierenden per Live-Video-Stream Arbeitsschritte demonstrieren und individuell auf die Lernfortschritte der Studierenden eingehen. Das Konzept wurde von Beginn an mit großer Begeisterung aufgenommen: Die Evaluation im Sommersemester 2024 ergab die Note 1,0, begleitet von Kommentaren wie „Sehr toll, praxisnah“ oder „Super cool!“ – ein deutliches Zeichen für den Lernerfolg und die Motivation der Studierenden.

Welche Herausforderungen mussten bei der Umsetzung des Projekts überwunden werden – insbesondere im Hinblick auf technische, didaktische oder organisatorische Aspekte?

Die größte Herausforderung war die technische Entwicklung geeigneter mikrochirurgischer Phantome, da es keine vergleichbaren Modelle auf dem Markt gab. Es mussten Form, Material und Optik so gestaltet werden, dass sie die Arbeit mit Mikroinstrumenten unter digitaler Vergrößerung realistisch abbilden. Dazu gehörten die Auswahl antistatischer Materialien, die Vermeidung von Lichtreflexen sowie die Entwicklung künstlicher Silikongefäße mit passender Elastizität und Nahtfähigkeit. Erst nach zahlreichen Prototypen konnte ein funktionales, wiederverwendbares und realitätsnahes System etabliert werden. Didaktisch galt es, Theorie, Live-Demonstration und eigenständiges Training sinnvoll zu verknüpfen – ein Ziel, das durch den interaktiven Aufbau des Kurses hervorragend erreicht wurde.

Als besondere Auszeichnung wurde meine Arbeitsgruppe im vergangenen Jahr aus über 20 Bewerbungen mit dem Lehrinnovationspreis der Universität Regensburg geehrt. Es ist mir ein persönliches Anliegen zu betonen, dass dieses Projekt nur im Team realisiert werden konnte und das Ergebnis des außergewöhnlichen Engagements jedes einzelnen Beteiligten ist. Besonders hervorzuheben ist dabei die enge und vertrauensvolle Kooperation zwischen der Medizintechnik und der Plastischen Chirurgie, insbesondere mit Herrn Dr. Andreas Eigenberger und Herrn Priv.-Doz. Dr. Marc Rüwe.

Wie könnte diese Innovation langfristig die Ausbildung in der Plastischen und Wiederherstellungschirurgie verändern und zur Nachwuchsförderung beitragen?

Dieses Konzept hat das Potenzial, die chirurgische Lehre grundlegend zu verändern. Es ermöglicht erstmals eine mikrochirurgische Ausbildung unabhängig von teuren OP-Infrastrukturen – und das weltweit übertragbar. Weil die Materialien und Technologien überall verfügbar sind, können andere Standorte das System leicht adaptieren. Damit wird ein völlig neues Niveau in der chirurgischen Ausbildung geschaffen: praxisnah, standardisiert und motivierend. Zugleich leistet das Projekt einen Beitrag zur Nachwuchsförderung, indem es Studierende frühzeitig mit der Faszination der mikrochirurgischen Techniken der Plastischen Chirurgie in Kontakt bringt. Die hohe Akzeptanz und das positive Feedback zeigen, dass solche Formate geeignet sind, wieder mehr Begeisterung für chirurgische Fächer zu wecken.

Sind noch weitere innovative Projekte im Lehrbetrieb der Plastischen Chirurgie vorgesehen?

Ja, tatsächlich arbeiten wir derzeit an der Entwicklung eines nachhaltigen Trainingsphantoms für die Verbrennungschirurgie. Das Modell besteht aus einer Kombination von 3D-Druck und ballistischer Gelatine, die die anatomischen Gegebenheiten bei Brandverletzungen realistisch simuliert. Besonders hervorzuheben ist, dass die ballistische Gelatine recycelt werden kann und damit auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit einen neuen Standard in der chirurgischen Lehre setzt.
 

Kontakt

Prof. Dr. med. Silvan M. Eisenmann
Geschäftsführender Oberarzt 
Hochschulzentrum für Plastische und Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
Universitätsklinikum Regensburg
T: 0941 944-14852
F: 0941 944-6948
silvan.klein@ukr.de
www.ukr.de/phw

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