1999 wurde Geneart als Spin-Off der Universität Regensburg von Prof. Ralf Wagner, Dr. Marcus Graf und Prof. Hans Wolf als GmbH gegründet. Prof. Ralf Wagner war seinerzeit Leiter des Bereichs HIV -Impfstoffentwicklung & Gentherapie am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Regensburg

Er benötigte für seine Forschungsarbeiten zu einem neuartigen Impfstoff gegen das Humane Immundefizienz-Virus (abgekürzt HIV) einen Satz Gene. Also Bauanleitungen von Proteinen. Diese waren zwar bereits käuflich erwerbbar, aber extrem teuer. Deshalb beauftragte er seinen damaligen Doktoranden Markus Graf mit der Herstellung. Die Synthese gelang, die Gene lieferten gute Testergebnisse und damit gleichzeitig den Proof of Concept für eine Geschäftsidee: Gensynthese als Dienstleistung. Der Grundstein war gelegt.

Prof. Ralf Wagner © Universität Regensburg

Prof. Wagner, wieso gibt es die Geneart heute nicht mehr?

Geneart wurde 2010 verkauft an Life Technologies. Sie existiert aber heute noch als 100% Tochter von Thermo Fisher Scientific, die Life Technologies 2014 erworben hat. Das Wichtigste: Der Standort Regensburg ist stabil. Uns war damals klar, wenn wir gut performen, dann wird es die Firma weitergeben. Wir hatten beim Verkauf etwa 200-220 Mitarbeiter, heute sind es etwa 330 am Standort in Regensburg. 

Was war das Produkt von Geneart?

Wir haben Technologien für die Entwicklung und Herstellung neuartiger Arzneimittel und Impfstoffe bereitgestellt. Unsere Kunden nutzten unsere Dienstleistungen in der synthetischen Biologie zum Beispiel zur Verbesserung von Enzymen, etwa als Waschmittelzusätze und zur Konstruktion von Bakterien, die komplexe Biopolymere und Verbindungen herstellen oder abbauen wie Kunststoffe oder Erdöl. 

Mit welcher Vision habt wurde Geneart gegründet? 

Der Erste Gedanke zur Gründung kam uns 1998. Damals war eine große Aufbrauchstimmung im Bereich der High-Tec Unternehmen - der Beginn der Dotcom-Ära. Es gab viel Risikokapital auf dem Markt, eine großartige Aufbruchstimmung. Wir wussten, mit der Gensynthese als Dienstleistung haben wir keine Goldnuggets in der Hand. Das wäre damals ein neuer vielversprechender Medikamentenwirkstoff gewesen. Was wir aber hatten waren die Schaufeln mit denen andere Wissenschaftler Goldnuggets heben konnten. Unsere Vision war, diese Schaufeln so erschwinglich zu machen, dass sie quer über alle Disziplinen in den Lebenswissenschaften genutzt und eine entsprechend hohe Nachfrage entstehen würde. 

Inwieweit ist die Vision Realität geworden?

Wir konnten die Kosten durch Parallelisierung und Miniaturisierung tatsächlich schrittweise drastisch reduzieren. Aus einem hochpreisigen Produkt hat sich so über die Jahre ein niedrigpreisiges Produkt entwickelt, das sich inzwischen alle Labore leisten können. Dadurch konnten wir aus einer Spezialanwendung eine Basisanwendung für den Massenmarkt entwickeln. 

Heute sind synthetische Gene aus den Laboren nicht mehr wegzudenken. Sie haben letztlich die Biotechnologie revolutioniert. Hat sich das Businessmodell trotz der sinkenden Preise denn noch gerechnet?

Absolut. Wir haben nur einen Teil unserer Kostenersparnis an den Kunden weitergegeben und konnten mit jeder Preissenkung den Markt weiter öffnen. Dadurch ist Geneart in eine gute Profitabilität gewachsen.  

Was war die größte Hürde in der Anfangsphase?

Unsere krasse Fehleinschätzung in unserem Businessplan am Anfang war die Vorstellung, dass unsere ersten zahlungskräftigen Kunden deutsche Pharmaunternehmen wären. Tatsächlich kamen unsere ersten großen Aufträge von US-amerikanischen Wissenschaftlern aus den renommierten und zahlungskräftigen Forschungsinstitutionen wie Stanford, Harvard, Yale, Berkeley oder dem National Institute of Health. Als wir das verstanden hatten, konnten wir nach zwei Jahren schwarze Zahlen schreiben. Erst später haben wir den Markt der Pharmaunternehmen erschlossen. Und zwar zuerst den US-amerikanischen und dann erst den europäischen. 

Welche Unterstützung gab es von Seiten der Universität für die Gründung?

Ursprünglich war der Gedanke, dass wir einen Geschäftsführer einsetzen und ich die Firma als Beirat lenken würde. Aber es stellte sich schnell heraus, dass dieses Modell nicht funktionierte und ich selbst als Geschäftsführer tätig werden musste. Die Universitätsleitung hat nicht nur erlaubt, sondern auch unterstützt, dass ich diese Position als Nebentätigkeit ausüben konnte. Alle drei Jahre musste ich sämtliche Publikationen, Lehrevaluationen und eingeworbene Drittmittel auflisten und vorzeigen. 

Aber gerade im Vorfeld des Börsengangs, als wir viel auf Roadshows unterwegs sein mussten, war ich mir eigentlich schon sicher, dass ich mich zwischen den beiden Positionen entscheiden müsste, die Universitätsleitung hat mich in dieser Zeit enorm unterstützt, einfach weiterzumachen.
Hilfreich war in der Anfangszeit auch, dass wir im neu entstandenen Biopark 1 Laborräume anmieten und die Infrastruktur dort nutzen konnten. Vor allem auch die Nähe zur Uniklinik und meiner Arbeitsgruppe dort war optimal.

Welche Rolle hat diese Unterstützung damals gespielt? 

Die Unterstützung von der Universitätsleitung war ein wichtiges Detail. Meine Stelle an der Uni hätte ich wahrscheinlich nicht aufgegeben und dann wäre es möglicherweise schwierig geworden. 

Was waren die größten Learnings in der Gründungsphase?

Zu verstehen, wer unsere Kunden sind und wie wir sie gewinnen können – also erstmal überhaupt in den Markt hineinzukommen. 


Dann auch die Entscheidung, dass ich die Geschäftsführung übernehme, um Schaden für die Company abzuwenden. 
Und auch zu lernen, wie wir unser Produkt verkaufen konnten. Eine unserer ersten Sales Mitarbeiterinnen war sehr erfahren im Verkauf, aber unser Produkt war wissenschaftlich anspruchsvoll und erklärungsbedürftig und sie hat es nicht geschafft, die wissenschaftlichen Inhalte zu transportieren. 


Generell war es eine Herausforderung, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, die unser anfangs kleines Team nicht nur fachlich, sondern auch als Persönlichkeit ergänzt haben. 

Was war der größte Erfolg?

2007 erhielten wir den größten weltweit bis dahin vergebenen Auftrag für eine Gensynthese. Ziel war damals die Mammalian Gene Collection (MGC) zu vervollständigen. Auftraggeber war die US-amerikanische Gesundheitsbehörde National Institutes of Health. Der Auftrag hatte ein Volumen von etwa 6 Mio. US Dollar. Dafür sollten wir 2400 verschiedene Gene und 1500 Genvarianten produzieren, die sich im Rahmen des  MGC-Projekts (2002 bis 2006) mit den klassischen Methoden der Biotechnologie nicht isolieren ließen. 

Auch spannend war die Unterstützung von Greg Venter bei der Herstellung des ersten kompletten bakteriellen Genoms, das schließlich in eine leere Bakterienzelle eingebracht wurde und diese Zelle neu „booten“, also zum Leben erwecken konnte. Aber auch diverse Auszeichnungen wie etwa der Europäischer BioTech Award in 2008.

Welchen Tipp gibt es für heutige Neugründer?

Ein Unternehmer unternimmt. Theoretische Gedankengebäude sind da nur bedingt hilfreich, man muss aktiv sein und braucht eine gehörige Portion Pragmatismus mit einer gewissen Portion Selbstbewusstsein. Am Anfang tun sich überall Hürden auf und man muss einfach das Naheliegende machen. Notwendiges Wissen kann man sich auch während des Tuns noch nebenbei aneignen.


Wenn Du heute noch mal gründen würdest, welches Thema würdest Du wählen?
Das würde wahrscheinlich noch mehr in Richtung Umwelt und Nachhaltigkeit gehen. Dazu könnten wir direkt auf synthetische Gene aufbauen. Plastikfressende oder kohlenstofffixierende Bakterien - in diese Richtung könnte man zum Beispiel denken.

Es heißt, erfolgreiche Menschen haben eine Morgenroutine - spielt das eine Rolle?

Mein Frühstück - damals mit der Familie - war mir heilig. Das war meine private Stunde am Tag für mich und die Familie - das war mein emotionaler Stabilisator. 


Was es gibt? Frühstück "mit allem" Brot, Wurst, Käse, Honig (selbstgemacht von meiner Frau) Marmelade Joghurt/Müsli mit Früchten, Orangensaft, Tomaten in Olivenöl und Balsamico, Pfefferminztee, gelegentlich Müsli mit Apfel; dazu die Süddeutsche Zeitung (Sport, Wirtschaft, Seite 3... in dieser Reihenfolge).
 

Gibt es gerade ein Buch, das empfehlenswert ist?

Ja, ich lese gerade drei gute Bücher parallel:
• Maja Göpel, Unsere Welt neu denken
• Ewald Arenz, Die Liebe an miesen Tagen
• Elke Heidenreich, Altern

Daten und Fakten zur Geneart

1999 Gründung als GmbH mit Venture Capital
2005 Umsatz von 4,5 Millionen Euro und erstmals profitabel
2006 Börsengang 
2008 Umsatz 15,7 Millionen Euro
2009 Umsatz von 17,2 Millionen Euro
2010 Übernahme durch Life Technologies (Umsatz > 20 Mio EUR)
2014 Übernahme von Life Technologies durch Thermo Fisher Scientific
Geneart ist heute eine 100 %ige Tochter von Thermo Fisher Scientific

Kontakt:

Prof. Dr. Ralf Wagner
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene
Universität Regensburg
Tel.: +49 (0) 941 944-6452
E-Mail: ralf.wagner@ur.de

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