Wie kann Lehre nicht nur Wissen vermitteln, sondern Kompetenzen fördern und praxisnah prüfen? Mit dieser Frage hat sich ein Team aus der Zahnmedizin der Universität Regensburg intensiv beschäftigt. Und wurde dafür kürzlich sogar ausgezeichnet:  Für die Entwicklung eines innovativen OSCE-Prüfungsformats zum Umgang mit dentalen Keramiken erhielten Dr. Laura Haas, Prof. Dr. Martin Rosentritt, Prof. Dr. Sebastian Hahnel und Prof. Dr. Angelika Rauch den Lehrinnovationspreis der Universität Regensburg in der Kategorie Prüfung. 

Der Preis ist Teil des innovation hub am Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik (ZHW) der Universität Regensburg– einem Programm, das im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie 2023–2027 und mit Mitteln des Hochschulvertrags zwischen der Universität Regensburg und dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst innovative Lehrformate fördert. Ziel ist es, Lehre zukunftsfähig, nachhaltig und kompetenzorientiert zu gestalten.

Dr. Laura Haas ist Zahnärztin in der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik an der Universität Regensburg und Vorstand des Zahnärztinnen-Verbandes dentista e.V. Im Interview spricht Haas über die Idee hinter dem Projekt, die Bedeutung kompetenzorientierter Prüfungen und darüber, warum das neue Format ein Modell für die Lehre der Zukunft sein könnte.

Frau Dr. Haas, Sie wurden zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen für ein neues OSCE-Prüfungsformat ausgezeichnet. Was ist damit gemeint?

OSCE steht für Objective Structured Clinical Examination. Dabei handelt es sich um ein praktisches Prüfungsformat, bei dem die Studierenden an mehreren Stationen bestimmte klinische Aufgaben absolvieren. Es geht nicht nur um theoretisches Wissen, sondern vor allem um praktische Fertigkeiten. Jede Station ist standardisiert, also nach klaren Bewertungskriterien aufgebaut, und wird von geschulten Prüferinnen und Prüfern beobachtet. So soll sichergestellt werden, dass die Bewertung objektiv und vergleichbar ist. Der Fokus liegt auf der praxisnahen Anwendung von Wissen.

Warum sind dentale Keramiken ein wichtiges Thema in der zahnmedizinischen Ausbildung?

Sowohl bei Behandelnden als auch Patientinnen und Patienten wächst der Wunsch nach möglichst minimal-invasiven, ästhetisch kaum sichtbaren Versorgungen. So steht mittlerweile eine Vielzahl von unterschiedlichen zahnfarbenen Werkstoffen, insbesondere dentalen Keramiken zur Verfügung. Für eine langfristig stabile, erfolgreiche Versorgung der Patienten ist jedoch eine profunde Kenntnis zu verwendeten Werkstoffen obligat. Studierende sollen daher nicht nur die theoretischen Grundlagen kennen, wie Materialeigenschaften, Indikationen und Herstellungsverfahren, sondern vor allem auch den praktischen Umgang mit keramischen Werkstoffen erlernen.

Der Bereich der Werkstoffkunde wird an den meisten Universitätsstandorten im Kontext einer Vorlesung gelehrt; ein unmittelbarer praktischer Bezug besteht dabei in den seltensten Fällen. Studierenden fällt es dadurch oft schwer, theoretisch erlerntes Wissen in praktisches Handling zu transferieren. Genau diese Problemstellung soll mit der OSCE-Prüfung angegangen werden.

Wie wurde das neue Prüfungsformat konkret gestaltet?

Die OSCE-Prüfung besteht aus 3 Prüfungsstationen:
Station 1 „Keramik-Quiz“ beschäftigt sich mit theoretischem Wissen rund um dentale Keramiken. Die Studierenden müssen acht Multiple-Choice-Fragen eines eigens erstellten digitalen Quizzes zu dentalen Keramiken beantworten. Zusätzlich müssen Wortkarten mit werkstoffkundlichen Begrifflichkeiten zu verschiedenen keramischen Werkstücken richtig zugeordnet werden.

Bei Station 2 „Adhäsive Befestigung“ müssen die Studierenden mittels Wortkarten das korrekte Vorgehen bei der laborseitigen Vorbehandlung einer Krone aus Lithiumdisilikatkeramik beschreiben. Danach soll der korrekte Workflow bei der adhäsiven Eingliederung einer Lithiumdisilikatkrone am Simulator durchgeführt werden. Dafür werden für jeden Studierenden eigens eine Krone und ein Zahnstumpf hergestellt.

Bei Station 3 „Intra- und extraorale Bearbeitung dentaler Keramiken“ wird für jeden Studierenden eine Lithiumdisilikatkrone mit bewusstem Frühkontakt bereitgestellt, die auf einen präparierten Musterzahn am Simulator passt. Dieser Frühkontakt muss von den Studierenden identifiziert werden. Anschließend sollte dieser vollständig und unter Verwendung des korrekten Instrumentariums bzw. angemessenen Bedingungen extraoral eingeschliffen und anschließend intraoral poliert werden.
 

Inwiefern trägt das Format zur Nachhaltigkeit in der Lehre bei?

Nachhaltigkeit in der Lehre bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Lerninhalte, Methoden und Materialien so gestaltet werden, dass sie langfristig wirksam, ressourcenschonend und zukunftsorientiert sind. Es geht also nicht nur um ökologische Nachhaltigkeit, sondern vor allem auch um die pädagogische und strukturelle Nachhaltigkeit des Projekts.

Unser Projekt trägt dazu bei, indem es Lehrkonzepte bereitstellt, die dauerhaft in den Lehrplan integrierbar sind und Studierende befähigen, das Gelernte selbstständig weiter anzuwenden und zu reflektieren. Zudem setzen wir auf digitale und praxisnahe Lehrformate, die Materialien mehrfach nutzbar machen und den Wissenstransfer zwischen Theorie, Praxis und Forschung fördern.

Nachhaltig heißt hier also: Die vermittelten Kompetenzen und die geschaffenen Lehrstrukturen wirken über das einzelne Semester hinaus – sie schaffen einen bleibenden Mehrwert für die Ausbildung und unterstützen eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung in der Lehre.

Welche Vorteile bietet das neue Format für Studierende und Lehrende?

Für die Studierenden steht die Praxisnähe im Vordergrund: Sie können ihr Wissen in realitätsnahen Situationen anwenden und zeigen, wie sie klinische Aufgaben und Entscheidungsprozesse im Alltag umsetzen. Dadurch erleben sie die Prüfung als sinnvoll und berufsrelevant.
Zugleich sorgt das Format durch seine Standardisierung und klaren Bewertungskriterien für mehr Fairness und Transparenz. Alle Studierenden werden unter gleichen Bedingungen geprüft, was die Objektivität der Bewertung erhöht und subjektive Einflüsse reduziert.

Für die Lehrenden bietet das Format die Möglichkeit, die Kompetenzorientierung stärker in den Mittelpunkt zu rücken – also nicht nur reines Faktenwissen zu prüfen, sondern auch Handlungskompetenzen. Dadurch wird die Lehre insgesamt praxisnäher, moderner und qualitativ hochwertiger.

Wie könnte dieses Prüfungsmodell zukünftig weiterentwickelt oder auch in anderen medizinischen Fächern eingesetzt werden?

Die OSCE ist ein flexibles und übertragbares Prüfungsmodell, das sich kontinuierlich weiterentwickeln und auf zahlreiche medizinische Fachrichtungen ausdehnen lässt. Zukünftig könnte dabei verstärkt auf digitale Elemente gesetzt werden, um Organisation, Evaluation und Feedback noch effizienter zu gestalten.

Inhaltlich eignet sich das Modell für viele Fachbereiche, da es standardisierte, kompetenzorientierte und praxisnahe Prüfungen ermöglicht. Im Mittelpunkt steht dabei stets nicht nur die Abfrage von Wissen, sondern vor allem die Fähigkeit, dieses Wissen verantwortungsvoll und patientenorientiert in der Praxis anzuwenden.

Kontakt

Dr. med. dent. Laura Haas
Zahnärztin
Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik
Universitätsklinikum Regensburg
T: 0049-941/944-11900
laura.haas@ukr.de
www.ukr.de/zahnaerztliche-prothetik

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