Professorin Dr. Maria Thurmair ist Inhaberin der Professur für Deutsch als Fremdsprachenphilologie an der Universität Regensburg. Sie fungiert zudem als Gleichstellungsbeauftragte für Frauen in Wissenschaft und Kunst der Fakultät für Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften und hat die „Handreichung für gendergerechte Sprache“ an der UR verfasst. Im Rahmen unseres Themenschwerpunkts „Gender“ haben wir mit ihr ein ausführliches Gespräch über die Bedeutung und Anwendung gendergerechter Sprache geführt.

Frau Professorin Thurmair, wie sind Sie ursprünglich auf das Thema „gendergerechte Sprache“ aufmerksam geworden, und warum halten Sie es für besonders relevant in Ihrem Fachbereich?

Auf das Thema gendergerechte Sprache bin ich schon während meines Studiums in den 1980er Jahren aufmerksam geworden. Damals habe ich auch die Publikationen der ersten deutschen Vertreterinnen der „feministischen Linguistik“, wie das damals hieß, Luise Pusch und Senta Trömel-Plötz rezipiert. In meinem Fachgebiet, der anwendungsbezogenen Sprachwissenschaft gehört dieses Thema selbstverständlich seit langem zu den relevanten Gegenständen.

Welche Herausforderungen oder Widerstände begegnen Ihnen und Ihren Kolleg*innen in der Lehre, wenn es um die Vermittlung von gendergerechter Sprache an internationale Studierende geht?

Die Vermittlung gendergerechter Sprache an internationale Studierende stellt im Allgemeinen keine besondere Herausforderung dar und stößt auch nicht auf Widerstände – die Studierenden in diesem Bereich sind ja durchweg sprach- und kultursensibel.

Wie integrieren Sie gendergerechte Sprache in Ihre Lehrveranstaltungen? Gibt es spezifische Methoden, die sich besonders bewährt haben?

Ich integriere gendergerechte Sprache auf zweierlei Weise: zum einen durch den eigenen Gebrauch in den Lehrveranstaltungen und in der Kommunikation mit den Studierenden. Dabei folge ich dem Typ des flexiblen Genderns, bei dem nicht pedantisch jede einzelne Form gegendert wird, sondern an allen relevanten Stellen gendergerechte Sprache verwendet wird. Zum anderen behandle ich das Thema als Wissenschaftlerin und Dozentin in thematisch einschlägigen Veranstaltungen, in denen ich gemeinsam mit den Studierenden die Voraussetzungen und Grundlagen gendergerechter Sprache erarbeite, die einschlägigen empirischen Forschungen rezipiere und Text- und Gesprächsanalysen durchführe.

Sie haben die Handreichung zur gendergerechten Sprache an der Universität Regensburg erstellt. Was war der Anlass zur Erstellung dieses Leitfadens?

Die Handreichung wurde zum ersten Mal im Jahre 2011 veröffentlicht. Damals war das Thema schon in vielen Kommunikationsbereichen präsent und ich hielt es für sinnvoll, auch an der Universität Regensburg breiter für das Thema zu sensibilisieren, das vorhandene Wissen systematisch aufzubereiten und die Möglichkeiten des Gebrauchs gendergerechter Sprache verständlich darzustellen. Dass ich mit dem Leitfaden damals auch den Gleichstellungspreis für meine Fakultät gewonnen habe, war natürlich eine schöne Bestätigung.

Welche zentralen Empfehlungen gibt die Handreichung zur Verwendung gendergerechter Sprache?

Gendergerechte Sprache: ja – mit Augenmaß und Kreativität!

Wie wird die Handreichung von den Studierenden und Mitarbeiter*innen der Universität aufgenommen? Haben Sie Feedback erhalten?

Das Feedback, das ich erhalten habe, war in der Regel positiv.

Wie stehen Sie persönlich zur Verwendung gendergerechter Sprache im Alltag? Nutzen Sie diese Form auch im privaten Umfeld?

Ich verwende gendergerechte Sprache natürlich auch im Alltag und im privaten Umfeld, wobei ich verschiedene Abstufungen gendergerechter Sprache je nach Gegenüber und Kommunikationssituation einsetze. Ich halte den Einsatz gendergerechter Sprache für ein Zeichen von Respekt und Anerkennung gegenüber unterschiedlichen Gruppen.

Oft wird argumentiert, dass gendergerechte Sprache umständlich und schwer verständlich sei. Wie begegnen Sie diesen Einwänden?

Als Sprachwissenschaftlerin kann ich diesen Einwändern leicht begegnen, denn es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die sogenannte Umständlichkeit zu vermeiden und die Leichtigkeit der Sprache auch bei gendersensibler Gestaltung zu erhalten. Dafür bedarf es manchmal auch einiger Kreativität – aber die deutsche Sprache lässt dies in hervorragender Weise auch zu.

Was halten Sie von der gesellschaftlichen Debatte um das Gendern, insbesondere von der Kritik aus politischen oder konservativen Kreisen?

Wie gesagt, für mich ist die Verwendung von gendergerechter Sprache und damit die Sichtbarmachung verschiedener Gruppen ein Zeichen von Respekt und Anerkennung diesen Personengruppen gegenüber und letztlich auch ein Zeichen der Höflichkeit. Das kostet nicht viel, bewirkt aber sehr viel. Die ganze Aufregung ist mir unverständlich, ich würde für mehr Gelassenheit auf allen Seiten plädieren.

Wie schätzen Sie die Zukunft der gendergerechten Sprache in Deutschland ein? Glauben Sie, dass es langfristig zu einem gesellschaftlichen Konsens kommen wird?

Sprache wandelt sich, das ist eine Binsenweisheit. Und die deutsche Sprache wird gendergerechter werden, es werden sich neue sprachliche Verfahren entwickeln. Die Sprachgemeinschaft wird diese im Lauf der Zeit akzeptieren und die Wogen werden sich glätten. Jeder Sprachwandel, der von der Sprachgemeinschaft ausgeht, festigt sich im Lauf der Zeit.

Sehen Sie die gendergerechte Sprache als einen Schritt in Richtung Gleichberechtigung? Welche Rolle spielt Sprache Ihrer Meinung nach generell in der Konstruktion von Geschlechterrollen?

Das Sichtbarmachen von Frauen und Personen anderer geschlechtlicher Identitäten ist eine zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe. Die Sprachverwendung ist dabei ein Beitrag unter vielen anderen, nicht mehr und nicht weniger. Es sollte doch möglich sein, dass sich Personen verschiedener geschlechtlicher Identitäten in der Sprache angemessen repräsentiert fühlen.

Inwieweit sollten Sprachregelungen von oben, zum Beispiel durch Universitäten oder den Staat, vorgegeben werden, und inwieweit sollte sich Sprache organisch entwickeln?

Die Grundlagen für die sogenannten Sprachregelungen von oben (seien es Gebote oder Verbote) kommen ja nicht von oben, sondern immer aus der Sprachgemeinschaft selbst, sind also gewissermaßen organisch entstanden. Keine Regelung verordnet etwas, was nicht im Sprachgebrauch angelegt ist. Insofern wird durch Sprachregelungen dieser Sprachgebrauch allenfalls in bestimmte Bahnen gelenkt, das ist aus meiner Sicht durchaus angemessen.

Gibt es aus Ihrer Sicht Situationen, in denen gendergerechte Sprache nicht verwendet werden sollte oder unnötig ist?

Nein, da sich ja verschiedene Abstufungen gendergerechter Sprache etablieren lassen, die man der jeweiligen Situation und dem Gegenüber angepasst verwenden kann.

Welche Entwicklungen in der sprachlichen Gleichstellung der Geschlechter würden Sie sich in den nächsten Jahren wünschen?

Ich freue mich auf weitere kreative und elegante Formen zur sprachlichen Gleichstellung.
 

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