Fit und verbunden

Einsamkeit ist längst kein individuelles Randthema mehr – sie ist eine gesellschaftliche Herausforderung, die viele Lebensbereiche durchzieht, von der psychischen Gesundheit bis zur sozialen Teilhabe. Besonders in Städten wie Regensburg, mit einem hohen Anteil an Einpersonenhaushalten und einer vielfältigen, internationalen Bevölkerung, ist es wichtig, neue Wege zu finden, um Menschen miteinander in Kontakt zu bringen. Genau hier setzt das Programm „FIVE – Fit und verbunden gegen Einsamkeit“ an, das vom Bundesgesundheitsministerium und dem Bundesfamilienministerium gefördert und vom Deutschen Olympischen Sportbund umgesetzt wird.
Das Sportzentrum der Universität Regensburg hat sich gemeinsam mit seinen Partnern CampusAsyl e.V. und der Stadt Regensburg mit dem Projekt „Move & Connect“ beworben – und wurde als eine von sechs Modellregionen bundesweit ausgewählt. In den kommenden zwei Jahren soll das Projekt zeigen, wie Bewegung nicht nur den Körper stärkt, sondern auch Gemeinschaft fördert – über Alters- und Herkunftsgrenzen hinweg.
Wir haben mit der Projektleiterin Dr. Uta Engels über die Bedeutung der Auszeichnung, konkrete Angebote zur sozialen Teilhabe und die Rolle von Partnerschaften in der kommunalen Gesundheitsförderung gesprochen. Uta Engels ist Sportwissenschaftlerin und leitet seit 2012 das Sportzentrum der Universität Regensburg. Seit einem Jahr verantwortet sie dort auch das Studentische Gesundheitsmanagement „UR alive“.

Frau Dr. Engels, welche Bedeutung hat die Wahl zum Modellprojekt konkret für die Region?
Die Auswahl als eine von nur sechs Modellregionen bundesweit – bei über 70 Bewerbungen – ist für uns eine große Anerkennung und zugleich ein starkes Signal: Die Arbeit des Sportzentrums und unseres studentischen Gesundheitsmanagements „UR alive“ wird auf Bundesebene gesehen und als innovativ und gesellschaftlich relevant eingestuft. Besonders freut uns, dass unser partizipativer Ansatz – also Angebote von Studierenden für Studierende, eingebettet in ein starkes Netzwerk mit Stadt und Zivilgesellschaft – überzeugt hat.
Für Regensburg eröffnet sich damit die große Chance, ein Vorzeigeprojekt im Kampf gegen Einsamkeit bzw. für soziale Teilhabe aufzubauen: mit konkreten Bewegungsangeboten, mit neuen Allianzen zwischen Hochschule, Stadtverwaltung und Vereinen – und mit Begegnungsräumen, die Menschen verbinden, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären. Wir sehen das als Auftrag und als Ansporn, gemeinsam mit unseren Partnern etwas Nachhaltiges zu schaffen, das über die Projektlaufzeit hinaus wirkt.
Wie genau soll das Projekt Einsamkeit verringern?
Bewegung ist ein idealer Türöffner – sie verbindet Menschen, ohne dass Sprache oder kultureller Hintergrund eine Barriere darstellen müssen. So finden viele Menschen über den Sport leichter Anschluss – weil man gemeinsam etwas tut, statt gleich persönliche Gespräche führen zu müssen. Genau hier setzen wir an: mit offenen, niedrigschwelligen Bewegungsangeboten, die gezielt auf Austausch, Kennenlernen und gemeinsames Erleben ausgerichtet sind.
Ergänzt werden diese Formate durch sogenannte „Sport + X“-Angebote, bei denen die Bewegung bewusst mit einem sozialen oder alltagspraktischen Mehrwert verknüpft wird: etwa ein Fahrradtraining für geflüchtete Frauen mit anschließender Sprachlernberatung, gemeinsames Wandern mit anschließendem Kaffeetrinken, bei dem Begegnung in entspannter Atmosphäre möglich wird, oder ein Volleyballspiel mit deutschen und internationalen Studierenden, das gezielt zur Bildung von Sprachtandems überleitet.
Unsere Zielgruppen sind vielfältig – und gerade das ist eine Stärke des Projekts. Wir richten uns an Studierende, insbesondere internationale und Erstsemester, an Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte sowie an ältere Bürgerinnen und Bürger, die unter Isolation leiden. Es geht uns dabei sowohl um passgenaue Angebote für einzelne Gruppen als auch um offene Formate, die gezielt Begegnung über Alters-, Kultur- und Herkunftsgrenzen hinweg ermöglichen. Denn Einsamkeit betrifft viele – und ein lebendiges Miteinander braucht Räume, in denen sich diese Menschen begegnen können.
Inwiefern ist das Thema Einsamkeit ein gesellschaftliches Problem?
Einsamkeit ist ein häufig unterschätztes Problem – gerade weil man sie nicht sieht. Sie passiert leise, oft im Verborgenen, und betrifft Menschen quer durch alle Altersgruppen und Lebenslagen. Was auf den ersten Blick wie individuelles Rückzugsverhalten wirkt, ist in Wahrheit ein ernstzunehmender Risikofaktor für die psychische und physische Gesundheit.
Studierende gehören dabei zu den besonders betroffenen Gruppen. Laut Studienlage, z.B. der LUST-Studie, fühlen sich mehr als 20 Prozent der Studierenden dauerhaft einsam. Auch die Beratungsstellen der Universität Regensburg berichten von zunehmenden psychischen Belastungen der Studierenden – vor allem bei internationalen Studierenden, die sich häufiger orientierungslos, isoliert und ohne soziale Anbindung erleben. Diese Belastungen haben nicht selten unmittelbare Auswirkungen auf Studienerfolg und seelische Gesundheit.
Auch bei Menschen mit Fluchterfahrung oder Zuwanderungsgeschichte ist Einsamkeit weit verbreitet. Der Forschungsbericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF 2023) zeigt z.B., dass viele Geflüchtete über lange Zeit hinweg kaum soziale Kontakte zur Mehrheitsgesellschaft aufbauen können – mit weitreichenden Folgen für Wohlbefinden und Integration.
Besonders deutlich wird die gesellschaftliche Dimension von Einsamkeit am Beispiel Regensburg: Mit einem Anteil von über 54 % Einpersonenhaushalten liegt die Stadt deutlich über dem Bundesdurchschnitt. In Kombination mit einer stark international geprägten Stadtgesellschaft entsteht eine besondere Verantwortung, gezielt Räume für Begegnung, Teilhabe und sozialen Anschluss zu schaffen, die Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten aktiv zusammenbringen. Denn: Einsamkeit ist kein individuelles Versagen – sondern oft das Ergebnis fehlender Zugangsmöglichkeiten und somit gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Welche Rolle spielen CampusAsyl e.V. und die Stadt Regensburg in dem Projekt?
Die Kooperation ermöglicht es uns, bewegungsbasierte Angebote gezielt für jene Gruppen zu entwickeln, die besonders häufig von Einsamkeit betroffen sind: Studierende, Geflüchtete und ältere Menschen.
CampusAsyl e.V. bringt langjährige Erfahrung in der Arbeit mit geflüchteten Menschen mit – und erreicht durch seine vielfältigen Sport- und Begegnungsangebote direkt Menschen in Gemeinschaftsunterkünften und Stadtteilprojekten. Die Stadt Regensburg wiederum, insbesondere über das Amt für Sport und Freizeit, öffnet den Zugang zu Sportvereinen, bestehenden Bewegungsformaten und wichtigen Zielgruppen wie älteren Bürgerinnen und Bürger. Auch die Nutzung städtischer Infrastruktur und die Einbindung relevanter Fachstellen tragen wesentlich zum Projekterfolg bei.
Gemeinsam formen wir mit der Allianz „MiteinandeR“ ein Netzwerk aus engagierten Akteurinnen und Akteuren, die in der Stadtgesellschaft bereits verwurzelt sind – aus Verwaltung, Zivilgesellschaft und Hochschule. Ziel ist es, bestehende Angebote besser miteinander zu verzahnen, neue Formate gemeinsam zu entwickeln und voneinander zu lernen. So kann das Projekt nicht nur Einsamkeit wirksam begegnen, sondern zugleich den sozialen Zusammenhalt in der Stadt stärken und neue Impulse für eine innovative, kooperative Stadtgesellschaft setzen.
Wie können Interessierte mitmachen oder mehr über das Projekt erfahren?
Unser Projekt „Move & Connect“ startet offiziell am 1. Juli 2025 mit konkreten Maßnahmen: Offene Sportangebote und die ersten Treffen unserer Allianz stehen auf dem Programm. Wer sich informieren oder mitmachen möchte, kann das über die Webseiten und Social-Media-Kanäle des Sportzentrums, von CampusAsyl oder der Stadt Regensburg tun.

Weitere Informationen:
www.dosb.de/themen/mensch-und-sportverein/breitensport-und-gesundheit/fitundverbunden
Mitteilungen der Universität Regensburg - Universität Regensburg
Kontakt
Dr. Uta Engels
Leitung Sportzentrum
Universität Regensburg
Tel. 0941 943 2512
E-Mail: uta.engels@ur.de
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