Wir haben mit Dr. Michael Stierstorfer gesprochen, was gute Lehre für ihn persönlich bedeutet. Er hat an der Universität Regensburg (UR) Lehramt studiert und promoviert, war anschließend als Dozent an der UR tätig und ist inzwischen Lehrer und Fachleiter für Deutsch im Gymnasium des Benediktiner Klosters Schäftlarn. Kürzlich wurde er mit dem deutschen Lehrkräftepreises in der Kategorie „herausragende Lehrkräfte“ ausgezeichnet.

Herr Dr. Stierstorfer, Sie wurden kürzlich mit dem Deutschen Lehrkräftepreis ausgezeichnet. Was ist Ihre Erfolgsformel?

Mein Erfolgsrezept ist, auf die Bedürfnisse der SchülerInnen einzugehen. Wenn ihnen etwas auf den Nägeln brennt, muss man den Unterricht auch mal flexibel umgestalten können. Ansonsten bin ich ein großer Fan von Humor und Ironie, das lockert den Unterricht auf. Highlights setze ich immer wieder gerne mit innovativen und kreativen Unterrichtsprojekten. So produziere ich im Deutschunterricht mit meinen Schülern gerne Booktubes, die wir dann auf unserem schuleigenen YouTube-Kanal namens „GBS Booktubes“ veröffentlichen. 

In Latein arbeite ich gerne mit Rezeptionsdokumenten als Einstieg - wie Percy Jackson, der bei Jugendlichen sehr beliebt ist. Neben Youtube-Videos und Jugendmedien bevorzuge ich als Einstieg auch kurze, zum Teil selbst produzierte TikTok- oder Youtube-Lernvideos zu Unterrichtsthemen. Diese erstelle ich nach Anregungen durch Schüler:innen und publiziere sie auf meinem Lernchannel „Magister Caesar“: Magister Caesar - Latein und Deutsch to go - YouTube. Hier gebe ich als Deutschlehrer auch Leseempfehlungen. Es motiviert die Schülerinnen und Schüler enorm, wenn sie merken, dass sie den Unterricht aktiv mitgestalten können.

Sie haben Ihr Lehramtsstudium an der Universität Regensburg absolviert – inwiefern hat Sie das Studium auf Ihren späteren Berufsalltag vorbereitet?

Das Lehramtsstudium an der Universität Regensburg hat sich für mich sehr gelohnt. Vor allem die Didaktik hat mich gut auf das spätere Lehrerleben vorbereitet. Hier ist besonders der Lehrstuhl für Deutschdidaktik von Frau Prof. Dr. Anita Schilcher zu nennen, an dem die Lehrenden stets auf den Schulbezug und die ideale Verzahnung von Wissenschaft und Methodik geachtet haben. 

Die Lehrveranstaltungen wurden durch kreative und innovative Projekte bereichert, die oft in große empirische Studien mündeten. Um den Praxisbezug zu stärken, pflegt der Lehrstuhl auch Kooperationen mit anderen Schulen. So haben wir einmal für Referendare Unterrichtssequenzen zum literarischen Lernen entwickelt. Anschließend durften wir den Unterricht einer Lehrkraft verfolgen, die unsere Konzepte genutzt hat. So bekamen wir direkt eine Rückmeldung, ob unsere theoretischen Ideen in der Praxis funktionieren.

Welche Kompetenzen oder Denkweisen aus dem Studium sind heute besonders wertvoll für Ihren Unterricht?

Vor allem das Einüben eines prototypischen Stundenaufbaus hilft mir sehr und begleitet mich auch heute noch im Unterrichtsalltag. Ansonsten hilft mir auch das Projektmanagement aus dem Studium sehr. Zum Beispiel wie man ein innovatives Projekt didaktisch konzipiert, in den Lehrplan integriert und in der Schule umsetzt. Auch das wissenschaftliche Arbeiten finde ich hilfreich, entweder wenn ich mir selbst neue Unterrichtsinhalte erschließe oder wenn ich in meinen wissenschaftspropädeutischen Seminaren den Schülern beibringe, wie man eine erste wissenschaftliche Arbeit auf Proseminarniveau schreibt. 

Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass Wissenschaft, Didaktik, Pädagogik und Schulpraxis einander bedingen, um ein erfolgreicher Lehrer zu sein. Sie sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden, wie es manchmal geschieht. Auch eine positive Einstellung zu meiner möglichen Selbstwirksamkeit im Unterricht wurde mir gerade am Lehrstuhl für Deutschdidaktik durch unzählige innovative und kreative Unterrichtsprojekte vorbildlich vermittelt.

Würden Sie Ihr Lehramtsstudium hier weiterempfehlen – und wenn ja, warum?

Ich würde das Lehramtsstudium in Regensburg auf jeden Fall weiterempfehlen. Ich habe nicht nur die Campusatmosphäre der Universität als sehr angenehm empfunden, sondern auch fast alle Dozent:innen der Universität als kompetent und freundlich. Als Studierender wurde ich ausnahmslos auf alle Prüfungen gut vorbereitet und die Professor:innen und deren Mitarbeiter:innen waren bei Unklarheiten immer ansprechbar. 

Als besonders herausragend empfand ich als Germanistikstudent die Lernwerkstatt des Lehrstuhls für Deutschdidaktik, in der man nicht nur zu aktuellen Jugendbüchern beraten wurde, einen fruchtbaren Austausch mit anderen fand, neueste Unterrichtsmaterialien ausleihen und ausprobieren, sondern auch an Autorenlesungen renommierter Jugendbuchautor:innen teilnehmen konnte. Eine solche Lernwerkstatt bräuchten meiner Meinung nach alle didaktischen Fächer. Das würde den Studierenden sehr helfen.

Was wünschen Sie sich für das Schulsystem – gerade mit Blick auf junge Lehrkräfte, die noch im Studium sind?

Das Schulsystem sollte sich noch mehr für junge Lehrerinnen und Lehrer öffnen. Ich würde mir eine noch stärkere Vernetzung mit der Praxis wünschen, so dass angehende Lehrkräfte während ihres Studiums immer mal wieder einen Tag in der Schule verbringen können, um ihre eigenen Unterrichtsideen kontinuierlich zu überprüfen bzw. weiterzuentwickeln und auch zu testen, wie sie mit einer Klasse zurechtkommen. Obwohl sich in dieser Hinsicht schon viel Positives getan hat, bin ich der festen Überzeugung, dass regelmäßiges Unterrichten vom ersten Tag des Studiums an die Studierenden besser auf den Lehreralltag vorbereiten würde. 

Um Schüler zu erreichen, muss man sich in deren Lage versetzen und Themen einbeziehen, die ihnen gerade unter den Nägeln brennen. 

Michael Stierstorfer

So könnte meiner Meinung nach der so genannte Praxisschock - wenn es ihn überhaupt gibt - vermieden werden. Bei der Vorbereitung auf das Schulsystem hat mir die Promotion im Bereich der Deutschdidaktik bei Prof. Schilcher in Kooperation mit der Lateindidaktik bei Prof. Janka an der LMU München sehr geholfen, selbstbewusst innovative und kreative Unterrichtsmethoden zu entwickeln und diese dann an Schülern zu erproben. 

Daraus sind sogar internationale Forschungsprojekte entstanden, in denen ich immer noch aktiv bin. Vor diesem Hintergrund kann ich viele Studierende nur ermutigen, in Didaktik zu promovieren, um die eigene Unterrichtsmethodik metareflexiver und selbstregulativer gestalten zu können. Meine Schüler:innen profitieren noch heute davon und finden ihre Unterrichtsergebnisse bei Einverständnis in internationalen Publikationen wieder, was sie in ihrem Selbstbewusstsein bestärkt.

Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell für angehende Lehrer*innen – und wie kann die Ausbildung darauf vorbereiten?

Die ersten Jahre in der Praxis in Vollzeit nach dem Studium sind wirklich hart. Als Lehrer muss man es immer der Triade Schüler, Eltern und Schulleitung recht machen, womit man sich anfangs eher überfordert fühlt. In Kombination mit dem immer noch sehr hohen Verwaltungsaufwand (analog und digital!) führt dies bei vielen zu einer sehr hohen Arbeitsbelastung. 

Lehrergesundheit und Resilienz sollten in der Ausbildung noch stärker berücksichtigt werden. Teilweise werden diese Aspekte auch von Didaktik und Pädagogik in ihre Vorlesungen oder Kurse integriert. Als übergeordnetes Thema sollte dies jedoch nicht nur im Referendariat, sondern auch an der Universität in Form eines eigenen Ausbildungsmoduls in der Lehrerausbildung eine zentrale Rolle spielen. So könnte bereits proaktiv Burnout-Prävention betrieben werden.

Gab es während Ihres Studiums oder in Ihrem Berufsleben ein Schlüsselerlebnis, das Sie besonders geprägt hat?

Ein Schlüsselerlebnis während meines Studiums war die Erstellung von mediendidaktischen Unterrichtsmaterialien für die gesamte Oberpfalz. Dies geschah im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Cinemaxx Regensburg und dem Lehrstuhl für Deutschdidaktik. Im Rahmen meiner ersten Zulassungsarbeit fürs Staatsexamen durfte ich zusammen mit Dr. Claudia Pecher, der heutigen Präsidentin der Akademie für Kinder- und Jugendliteratur, Unterrichtsideen für den Deutschunterricht im Kino entwickeln. Wir haben diese Konzepte zur Entschlüsselung filmischer Mittel auch selbst an einigen Schulen erprobt und erproben lassen - Filmanalyse nach dem Vorbild des literarischen Lernens war damals Neuland - und die Schüler:innen haben uns immer sehr positive Rückmeldungen gegeben, wie sehr ihnen der Unterricht gefallen hat. 

Auch andere Lehrer:innen aus der Oberpfalz, die ich im Rahmen von Praktika kennenlernen durfte, haben mir positive Rückmeldungen gegeben. Das hat mich damals als Unterrichtsgreenhorn schon sehr stolz gemacht. Am eindrücklichsten war natürlich der Unterricht im Kino mit ca. 300 Schülern, die nach dem Film nicht nur standardisierte Fragebögen ausfüllten, sondern auch kreativ-produktiv an einem Schreibwettbewerb teilnehmen konnten. Dieses Unterrichtskonzept mit methodisch-didaktischer und fachwissenschaftlicher Reflexion zum Kinofilm „Krabat“ (Kreuzpaintner 2008) habe ich nach mehreren Erprobungsphasen im Rahmen meiner Dissertation publiziert und arbeite weiter daran. Auch bei den regionalen Deutschlehrerfortbildungen des Lehrstuhls für Deutschdidaktik wurde es von den Lehrerkollegen meist positiv aufgenommen.

Was würden Sie heutigen Lehramtsstudierenden mit auf den Weg geben?

Den heutigen Lehramtsstudierenden würde ich mit auf den Weg geben, dass sie unbedingt schon während des Studiums Nachhilfe geben sollten, um Schülerschwierigkeiten und Individualisierungskonzepte in Bezug auf den Lernstoff schon während des Studiums am konkreten Schüler kennenzulernen. Ansonsten sollten Lehramtsstudierende heute so früh wie möglich auf der Basis ihres neu erworbenen fachwissenschaftlichen Wissens unter Berücksichtigung der didaktischen Vorgaben selbst Unterrichtskonzepte mit Arbeitsblättern erstellen und diese so früh wie möglich in der Praxis erproben, sei es im Rahmen von Praktika, Kooperationen zwischen fachdidaktischen Lehrstühlen und Schulen oder im Rahmen von befristeten Aushilfsverträgen an Schulen, insbesondere im Rahmen von Intensivierungs- oder Vertretungsstunden. 

In diesem Zusammenhang sind Initiativbewerbungen an Schulen - gerade in Zeiten des allgemeinen Lehrermangels - hilfreich. In diesem Zusammenhang empfehle ich, das Lehramtsstudium als Doppelstudium mit einem Bachelor- und Masterabschluss zu kombinieren. So hält man sich alle Türen offen und kann jederzeit in die Wirtschaft, zum Beispiel in die Verlags- oder Buchbranche, wechseln, wenn man merkt, dass Lehramt doch nicht das Richtige für einen ist.

Ansonsten sollte man sich schon vor dem Studium überlegen, ob man Freude an den Lernfortschritten der Jugendlichen hat, ob man immer im Mittelpunkt des Klassenzimmers stehen möchte und ob man ein einigermaßen dickes Fell gegenüber kritischen Schüleräußerungen hat. Letzteres wird natürlich im Laufe der praktischen Erfahrung automatisch dicker, aber ein Grundstock an Gelassenheit und „Coolness“ sollte man für den Lehrerberuf auf jeden Fall mitbringen. 

Selbstironie und Humor helfen auch sehr, eine Klasse ins Herz zu schließen. Wichtig ist auch eine schülerfreundliche Einstellung, denn die Zeiten der drakonischen Lehrkräfte, vor denen die Schüler zitterten, sind Gott sei Dank vorbei.  Außerdem sollte man sich darin üben, in verschiedene Rollen zu schlüpfen: in die des Provokateurs, des Advocatus Diaboli, des Kabarettisten, der die Unterrichtssituation mit einem Augenzwinkern reflektiert, oder des Schauspielers, der einen poetischen Text vorträgt. Unterricht ist auch Unterhaltung, um die Lernenden bei der Stange zu halten.

Schließlich sollte man in der schulischen Praxis nicht zu perfektionistisch sein, was die Ansprüche an sich selbst und an die Schüler angeht, denn das führt zu einer potentiellen und permanenten Überforderung, die Depressionen auslösen kann. In der Praxis keine Seltenheit. Die beste Therapie für den immer stressigen und manchmal auch lauten Unterrichtsalltag ist der Humor, den man mit den Lehrerkollegen teilt, und das Lachen über sich selbst. Es gibt nichts Besseres für die Lehrergesundheit! Schließlich sollte man zur eigenen Motivation an einigen Schulwettbewerben und Kooperationen mit Vertretern der Medienbranche wie dem Bayerischen Rundfunk teilnehmen. Denn auch als Lehrerin oder Lehrer lernt man - wie in anderen Berufen auch - logischerweise nie aus.

Der Deutsche Lehrkräftepreis

Der Deutsche Lehrkräftepreis ist eine jährlich verliehene Auszeichnung, die bundesweit engagierte Lehrkräfte und Schulleitungen sichtbar macht und würdigt. Ziel des Wettbewerbs ist es, innovative Impulse für guten Unterricht zu fördern und die herausragende Arbeit von Lehrkräften öffentlich anzuerkennen. Getragen wird der Preis von der Heraeus Bildungsstiftung und dem Deutschen Philologenverband, die Schirmherrschaft liegt beim Bundesministerium für Bildung und Forschung. Der Preiswird in drei Kategorien verliehen: 

(1) „Unterricht innovativ“ für besonders kreative und nachhaltige Unterrichtsprojekte 

(2) „Vorbildliche Schulleitung“ für herausragendes Schulmanagement 

(3) „Ausgezeichnete Lehrkräfte“. In dieser Kategorie nominieren Schüler:innen der Abschlussjahrgänge Lehrerinnen und Lehrer, die aus ihrer Sicht einen besonderen Unterschied machen – durch Kreativität, Engagement, wertschätzende Haltung, Begeisterungsfähigkeit und Mut zu neuen Wegen.

Kontakt

Dr. Michael Stierstorfer, StR. i. K. 
Gymnasium der Benediktiner Kloster Schäftlarn 
Klosterstraße 2 
82067 Schäftlarn 
E-mail: stierstorfer@abtei-schaeftlarn.de
https://www.abtei-schaeftlarn.de/gymnasium-internat/aktuelles/  

 

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