Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) und die Deutsche Meteorologische Gesellschaft (DMG) weisen darauf hin, dass sich die globale Erwärmung schneller entwickeln könnte als bislang angenommen. In einem gemeinsamen Statement warnen sie vor den möglichen Folgen einer Erwärmung um bis zu drei Grad bis zur Mitte des Jahrhunderts.

Prof. Karl Richter, Vorsitzender der DPG und Physiker an der Universität Regensburg, erklärt im Interview, wie es zu dieser Einschätzung kommt, welche Unterschiede zwischen einer Zwei- und Drei-Grad-Erwärmung bestehen und weshalb entschlossenes Handeln wichtiger ist denn je.

Prof. Richter, Sie warnen zusammen mit anderen Forschenden der DGP und der DGM davor, dass sich die Erwärmung im Moment beschleunigt und sich die Erde schon in 25 Jahren um drei Grad erwärmen könnte. Was ist das Ziel ihres Statements?

Es wird zunehmend unwahrscheinlicher, dass das Pariser Ziel, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten, noch erreicht wird. Eine Temperaturentwicklung jenseits der 2-Grad-Marke wird dadurch realistischer.  Aufgrund der Beobachtungslage der letzten Jahre und vor dem Hintergrund der momentanen weltpolitischen Rahmenbedingungen erscheint eine Erwärmung auf eine Temperatur in der Spanne von zwei bis drei Grad schon bis 2050 möglich. Damit lässt sich aus unserer Sicht sogar ein Erreichen der 3-Grad-Grenze nicht mehr völlig ausschließen. Das Ziel unseres Statements ist ein Weckruf an die Politik aber insbesondere auch der Aufruf zu beherztem Handeln.

Wie kommt die DGP und die DGM auf drei Grad in 25 Jahren, während der Weltklimarat IPCC im selben Zeitraum eher von zwei Grad ausgeht?

Hier liegt kein Widerspruch vor.  Bei der Benennung derartiger Risiken handelt es sich keinesfalls um eine Prognose des tatsächlichen Temperaturverlaufs. Eine mögliche, globale Temperaturerwärmung in der Spanne zwischen zwei und drei Grad liegt bereits im Rahmen der Szenarien des letzten Sachstandsberichts des IPCC. Und gerade die Daten zur globalen Erwärmung der letzten Jahre, sowohl in der Atmosphäre, als auch den Ozeanen, passen leider eher zu den pessimistischen Szenarien des IPCC. Aber, um es noch einmal deutlich zu sagen: Die wahrscheinlichste Temperaturentwicklung bis 2050 liegt noch etwa bei zwei Grad oder etwas darüber, also weit unter drei Grad.

Wieso ist der Unterschied zwischen zwei und drei Grad so wesentlich?

Diese Werte sind Durchschnittswerte, die in Deutschland noch einmal höher wären. Wir spüren heute schon, dass sich das Klima bei uns verändert. Der extreme Fall von drei Grad globaler Erwärmung hätte gravierende Folgen: Das bedeutet nämlich nicht, dass die heißen Tage im Sommer in Deutschland drei oder vier Grad wärmer werden, sondern bis zu zehn Grad wärmer. Es gäbe häufigere und längere Hitze- und Trockenperioden, intensivere Starkregenereignisse, insgesamt mehr Extremwetter. Übers Jahr verteilt blieben die Niederschlagsmengen ungefähr gleich. Aber wenn es regnet, wäre die Wahrscheinlichkeit für Starkregen viel höher.

Sie haben zehn Forderungen an die Politik formuliert. Was sollte jetzt unbedingt passieren? 

Neben der Benennung von Risiken, die mit der globalen Erwärmung einhergehen, ist es uns wichtig, besonders hervorzuheben: Beim Wirken gegen die Erwärmung spielt jedes Zehntel Grad eine Rolle. Die Zukunft unseres Klimas liegt in unseren Händen! Basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen besteht nach wie vor die Möglichkeit, den weiteren Temperaturanstieg zu begrenzen und Maßnahmen zum Schutz unserer Gesellschaft zu ergreifen. 

Unsere zehn Forderungen an die politischen Akteure beinhalten den Zweiklang von verstärktem Klimaschutz und Klimaanpassung, mit der gleichen hohe Dringlichkeit. Wir haben als naturwissenschaftliche Fachgesellschaften bewusst darauf verzichtet, hier spezifische Vorschläge zu machen, da das „Wie“ durch die Politik mit Unterstützung der Zivilgesellschaft gestaltet werden muss. Zu den Fragen einer wirtschaftlich und sozialpolitisch sinnvollen Umsetzung einiger Punkte unseres Katalogs können die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften beitragen.
 

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