Wildbienen trotz Zierpflanzen?

Im Sommer 2024 wurden in Zusammenarbeit mit dem Gartenamt Regensburg an acht Standorten Versuchsbeete mit unterschiedlichen Zierpflanzen angelegt. Ziel war es, den Besuch von Insekten zu dokumentieren, die eine wichtige Rolle bei der Bestäubung von Nutzpflanzen in der Landwirtschaft spielen. Die Beobachtung erstreckte sich über einen Zeitraum von drei Monaten von Mitte Juni bis Mitte September. Die Masterstudierenden Theresa Ranieri und Angelina Hacker verbrachten mehr als 200 Stunden damit, die Insektenbesuche an den Pflanzen zu beobachten. Es zeigte sich, dass die Vielfalt der Pflanzenarten auch entscheidend für die Insektenvielfalt ist, da verschiedene Insektenarten unterschiedliche Pflanzen bevorzugen. Das Projekt wird im Sommer 2025 fortgesetzt, um die Ergebnisse zu verifizieren und nachhaltige Strategien zusammen mit dem Gartenamt zu entwickeln. Die Forscher betonen außerdem, dass Insekten nicht nur Nahrung, sondern auch geeignete Nistplätze benötigen.
Wir haben bei den Projektleitern Dr. Tomer Czaczkes und Dr. Christoph Kurze und der Masterstudentin Angelina Hacker nachgefragt. Theresa Ranieri präsentierte die Ergebnisse zum Zeitpunkt des Interviews auf einer Fachtagung und war nicht anwesend.

Was war der Ausgangspunkt?
Dr. Christoph Kurze: Durch die Intensivierung der Landwirtschaft können Städte überlebenswichtige Inseln für Bestäuber darstellen. Um zu verstehen, wie sich die verschiedenen Standortbedingungen in der Stadt auf die Gesundheit und Entwicklung von Hummelvölker auswirken, haben wir ein Feldexperiment in Halle (Saale) durchgeführt. Dabei haben wir haben gesehen, dass ein gutes Nahrungsangebot im Stadtkern wichtig für die gesunde Entwicklung der Hummelvölker ist. Jedoch sind nicht in der Stadt gepflanzten Blumen gleichermaßen nützlich für die Bestäuber. Als Stadt kann man hier gegensteuern und das wollten wir in Regensburg für Wildbienen umsetzen.
Was war das Ziel?
Dr. Tomer Czaczkes: Das Gartenamt Regensburg hat ein großes Interesse daran, Pflanzen im Stadtgebiet einzusetzen, die einerseits gut aussehen und günstig sind, andererseits aber auch den aktuellen Herausforderungen etwa mit einem Rückgang der Artenvielfalt der Insekten gerecht werden.
Ziel war es, möglichst kostenneutral die Diversität der Bestäuber-Insekten im Stadtgebiet zu erhöhen und hier vor allem die Vielfalt der Wildbienen. Bekannt ist, dass manche Pflanzen für die Insekten völlig uninteressant, für andere aber sehr interessant sind. Unbekannt war aber, welche Pflanzen speziell für Wildbienen geeignet sind. Honigbienen waren für die Forschenden weniger interessant, weil sie von Imkern gezüchtet werden und damit weniger gefährdet sind wie ihre wilden Artgenossen.
Wie sind Sie vorgegangen?
Dr. Christoph Kurze: Wir hatten acht verschiedene Standorte. Die eine Hälfte der Standorte war im Stadtzentrum, die andere eher in der Peripherie. An jedem Standort hat das Gartenamt nach Absprache mit uns Beete angelegt und Quadrate mit jeweils denselben Pflanzen eingerichtet.
Jedes Beet wurde mit zehn verschiedenen Pflanzenarten bepflanzt. Die eine Hälfte der Pflanzenarten gehörte dabei zu den Favoriten des Gartenamts. Die andere bestand aus unseren Favoriten aus ihrem Sortiment, die sich in einer Vorstudie im Vorjahr bei Wildbienen als besonders beliebt erwiesen hatten. Bei allen Pflanzen handelte es sich um Pflanzen, die für große Gärten und Anlagen gezüchtet werden.
Und Sie haben dann Insekten gezählt?
Angelina Hacker: Ja wir haben alle Insekten gezählt, die tagsüber zu einer festgelegten Zeit auf den Blüten gelandet sind. Pro Tag wurden jeweils vier Flächen beobachtet. Am darauffolgenden Tag waren dann die nächsten vier dran. Auf diesem Weg konnten wir auch Wetterbedingungen berücksichtigen.

Was sind die ersten Ergebnisse?
Angelina Hacker: Die aktuellen Daten deuten darauf hin, dass das Flachblatt-Mannstreu (Eryngium planum) für die unterschiedlichsten Wildbienen- und Wespenarten besonders attraktiv ist. Auch der mehlige Salbei (Salvia farinacea) und die Glockenblume (Campanula persicifolia) war bei den Wildbienen sehr beliebt.
Was lässt sich zur Artenvielfalt im Regensburger Stadtgebiet sagen?
Angelina Hacker: Wir haben auf den unterschiedlichen Pflanzenarten insgesamt 35 Morphotypen gesehen, davon alleine 15 verschiedene Wildbienengruppen.
Was ist mit Morphotypen gemeint?
Angelina Hacker: Wir haben nicht auf Artenebene dokumentiert. Vor Ort ist das gar nicht möglich gewesen, weil unsere Devise war, nur zu beobachten und weder zu fangen noch zu töten. Das wäre aber oft zur genaueren Bestimmung auf Artenebene nötig. Deshalb haben wir die Insekten erst einmal nach äußeren Merkmalen unterschieden und so verschiedene Gruppen gebildet, z.B. große und kleine Furchenbienen.
Welche Insekten waren am häufigsten?
Angelina Hacker: Die Gruppe, die wir am häufigsten gesehen haben, waren die Wildbienen. Was auch damit zu tun hatte, dass wir nur die Insekten gezählt haben, die auf den Blüten gelandet sind und nicht diejenigen auf den grünen Teilen der Pflanze. Danach folgten Wespen und Schwebfliegen.
Dr. Christoph Kurze: Es gibt natürlich unter den Wildbienen auch Spezialisten, die auf das Sammeln von Nektar und Pollen weniger Pflanzen spezialisiert sind. Das haben wir in diesem Kontext nicht beachtet. Und dadurch, dass wir die Insekten nur nach Morphotypen unterschieden haben, sind Aussagen zur Biodiversität nur sehr eingeschränkt möglich.
Wie unterscheiden sich denn attraktive von weniger attraktiven Pflanzen?
Dr. Christoph Kurze: Auch wenn die Aussagekraft beschränkt ist, zeigte sich doch, dass das Mannstreu eine deutlich höhere Artenvielfalt fördern würde als zum Beispiel die häufig verwendete Tagetes (Tagetes erecta).

Welche Unterschiede gab es zwischen den einzelnen Standorten?
Angelina Hacker: Im Botanischen Garten zum Beispiel – einer unserer Standorte – wurden unsere Pflanzen gar nicht so gut angenommen. Das lag wahrscheinlich daran, dass das Pflanzenangebot gigantisch ist und die Insekten dort eine größere Auswahl hatten.
Innerhalb der Stadt gab es auch Unterschiede. Das Beet im Fürst-Anselm-Park zum Beispiel war eher schlecht besucht. Aufgrund der Infrastruktur in der Umgebung hat es uns aber auch nicht sehr überrascht, dass es dort weniger Insekten gibt.
Was folgern sie aus ihrer Studie für den Standort Regensburg?
Angelina Hacker: Das können wir noch nicht so weit einordnen. Es ist auf jeden Fall ein sehr positives Zeichen, dass die Stadt bienenfreundlichere Pflanzen nutzen möchte und jetzt schon die Grünstreifen seltener mäht.
Und wie sieht es mit der Artenvielfalt in Regensburg aus?
Dr. Christoph Kurze: Das lässt sich jetzt nicht unbedingt aus dieser Studie ableiten, aber Prof. Erhard Strohm hat in den letzten zwei Jahren in Rahmen von Forschungsprojekten in der Stadt die Biodiversität verschiedener Insekten angeschaut. Er konnte zeigen, dass es im Großraum Regensburg immer wieder Arten gibt, die auf der Roten Liste stehen. Das heißt, die Biodiversität ist gut hier. Es ist einiges da was auch geschützt werden sollte. Aber es gibt immer noch viel Raum für Verbesserungen. Auch was das Angebot für Nistplätze angeht.
Welchen Bedarf gibt es beim Thema Nistplätze?
Dr. Christoph Kurze: Das ist von der Art abhängig. Manchen ist mit Bienenhotels gedient. Andere Arten brüten am Boden direkt in Lehm. Wenn dann das Gras mit schwerem Gerät gemäht wird, können die Nester zerstört werden. Aber auch die Verwendung von Schotter zerstört solche Behausungen.
Angelina Hacker: Wichtig ist, Sand- und Lehmflächen anzubieten, die offen gehalten werden.
Wie geht es jetzt weiter?
Dr. Christoph Kurze: Wir werden die Beobachtung jetzt nochmal wiederholen. Das letzte Jahr war sehr außergewöhnlich, in Bezug auf Temperatur und Niederschlag. Wir hatten einen sehr warmen Frühling mit wenig Niederschlag und plötzlich sehr viel Niederschläge und der restliche Sommer war dann relativ kühl. Deshalb wollen wir unsere Ergebnisse noch einmal überprüfen.
Beobachten Sie einen Einfluss von Hitze und Trockenheit auf die Insektenvielfalt?
Dr. Christoph Kurze: Im Moment können wir dazu noch keine Aussagen machen. Das wäre vielleicht nach mehreren Jahren möglich. Im Moment haben wir am Lehrstuhl Daten für die letzten drei Jahre. Sehr lange Zeit wurde zur Biodiversität in Regensburg nicht viel gemacht. Prof. Strohm ist jetzt dabei das zu verändern.
Und die Kooperation mit der Stadt?
Dr. Christoph Kurze: Die Stadt zeigt großes Interesse, die Biodiversität zu fördern. Aber natürlich sind die Anforderungen, die dort an Pflanzen gestellt werden, komplexer. Die Pflanzen müssen zum Beispiel auch hitzeresistent sein und Schatten vertragen. Das heißt deshalb nicht, dass Pflanzen, die für Wildbienen nicht attraktiv sind, zukünftig nicht mehr sehen werden.
Was ist Ihr wichtigstes Fazit?
Angelina Hacker: Selbst bei Zierpflanzen, die typischerweise in öffentlichen Grünflächen ausgepflanzt werden, lässt sich ein Unterschied in der Attraktivität für Wildbienen beobachten. Wenn man etwas für Wildbienen machen möchte, kann man das durchaus durch ein entsprechendes Pflanzenangebot unterstützen.
Kontakt:
Dr. Christoph Kurze
Institut für Zoologie - AG Prof. Strohm
Universität Regensburg
E-Mail: christoph.kurze@ur.de
homepage: BEE Lab webpage
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