Über Ungleichheiten, die Rolle der Institutionen und von Kultur


Am 13. Februar 2025 fand im Haus der Begegnung der Universität Regensburg eine künstlerische Intervention von zwei Mitgliedern des Colectivo Ayllu (Kollektiv „Familie“ auf Quechua), Lucrecia Masson und Francisco Godoy, statt. Die Arbeit der in Spanien lebenden Lateinamerikaner:innen hat nach eigenen Angaben einen antikolonialen und gendersensiblen Fokus.
Initiiert wurde die Veranstaltung von Anne Brüske, Professorin für Räumliche Dimensionen kultureller Prozesse am DIMAS (Department for Interdisciplinary and Multiscalar Area Studies) der Universität Regensburg, und ihrem Team, bestehend aus Minerva Peinador, Bárbara Aranda y Joanna Moszczyńska.

Dieser künstlerische Beitrag des Colectivo, auf den am 14. Februar eine Diskussionsrunde folgte, war der Höhe- und Schlusspunkt einer Vortragsreihe, die Professorin Brüske dieses Wintersemester organisiert hat.
Die Reihe wollte verschiedene Perspektiven „von den Amerikas aus“ auf Intersektionalität vorstellen, wobei Intersektionalität die Überkreuzung struktureller Ungleichheiten auf Grundlage diverser, z. B. ethnischer, sozialer oder geschlechterpolitischer, Hierarchien bezeichnet.
In der Reihe teilten einschlägige internationale Wissenschaftler:innen aus der Philosophie, der Soziologie, den Kultur- und der Literaturwissenschaften ihre Forschungsergebnisse. Ziel war es, offen exemplarisch und kollaborativ, ein Netzwerk für den Austausch von Wissen und Diskussionen aufzubauen – wissenschaftlich wie auch kulturell in die Stadt hineinwirkend.

Für ihre Intervention ließ das Colectivo Ayllu den Raum spiralförmig bestuhlen, eine Alternative zu den in westlichen Kontexten üblichen linearen (Denk)Anordnungen. Vor einem Publikum von etwa dreißig Menschen erläuterten die Künstler:innen auf Spanisch und Englisch –„zwei kolonialen Sprachen“– gekleidet in schwarze bzw. weiße Overalls mit bunten Bändern eine Chronologie, die bis in die Gegenwart reicht und in der weiße Gruppen von Machthaber:innen andere rassifizierte Gruppen unterdrückten, ausbeuteten, ermordeten. Anschließend aßen sie demonstrativ Gemüsesorten, die nach der Eroberung Amerikas in Europa eingeführt wurden, wie Kartoffeln, Mais oder Tomaten.
Ihre Botschaft, von der Erinnerung an historische Gewalttaten gesättigt, bestand darin, diese koloniale Vergangenheit unmittelbar vor Augen zu führen und somit „weder zu vergessen noch zu vergeben“, wie sie in ihrem anschließenden Gespräch betonten. Zu ihrer Programmatik des ‚Den-Spiegel-Vorhaltens“ gehörte, dass sie allein die rassifizierten Anwesenden expliziert adressierten. Ihr Konzept beruht somit, so mag es scheinen, auf einer umgekehrten Reproduktion struktureller Formen von Gewalt.

Im Gespräch am Valentinstag stellte das Kollektiv –mit der sprachlichen Unterstützung von Bárbara Aranda– eine breite Palette seiner interessanten Arbeiten vor, ohne jedoch konzeptionell in die Tiefe zu gehen. Alles in allem verliehen die Performance und das Gespräch des Colectivo Ayllu wichtigen Themen wie kolonialer Ausbeutung, Diskriminierung und weißer Schuld besondere Sichtbarkeit.
Dies geschah durch eine durchaus kontrovers lesbare Agency, die für indigene Positionen spricht (und sich einverleibt). Fraglich bleibt deren Wirkung, obwohl (oder gerade, weil) sie –zumindest nach den hier vorgestellten und vertretenen Ansätzen– keine konstruktive Zukunftsvision bietet, jedoch wörtlich wie im übertragenen Sinn zum Nachdenken (an)stößt. Zur Reflexion regten Intervention und Gespräch allemal an, auch weil sie sich durch ihren künstlerischen Gehalt sowie ihre Positionen in Kontrast zu den übrigen Beiträgen der Reihe abhoben.
Großzügig unterstützt wurde das Projekt vom Regensburger Leibniz Wissenschafts-Campus „Europe and America in the Modern World“.
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