Die Leber ist ein echtes Multitalent – und ein schwer zu durchleuchtendes Organ. Gerade bei der Bildgebung durch Magnetresonanztomographie (MRT) stellt sie Radiologinnen und Radiologen vor massive Herausforderungen. Ihre Strukturen sind komplex und krankhafte Veränderungen sind oft nur schwer zu erkennen.

Aktuell analysieren Ärztinnen und Ärzte MRT-Scans manuell. Sie vermessen beispielsweise Tumorgrößen manuell und markieren Strukturen. Diese Herangehensweise ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch stark von der jeweiligen Expertise abhängig und besonders bei kleinen Strukturen fehleranfällig.

In einer aktuellen Studie haben Forschende der Universität Regensburg untersucht, wie moderne Modelle der künstlichen Intelligenz (KI) bei der automatisierten Auswertung von Leber-MRTs helfen können – mit vielversprechenden Ergebnissen.
Der große Vorteil der KI: Während eine manuelle Auswertung bzw. Segmentierung eines MRT-Scans 2–3 Stunden in Anspruch nimmt, benötigt ein KI-Modell für die gleiche Qualität und Genauigkeit gerade einmal ein paar Sekunden. „Die Zeitersparnis solcher KI-gestützten Auswertungen ist also enorm“, so Florian Raab, Physiker am Institut für Röntgendiagnostik der Universitätsklinik Regensburg und Leiter der Studie.

Worum geht es?
Das Ziel der Studie war, die automatisierte Abgrenzung und die Auswertung der inneren Strukturen– auch Segmentierung genannt – der Leber in MRT-Bildern zu verbessern. Dabei sollten nicht nur das Lebergewebe (Parenchym) und wichtige Gefäße wie Pfortader, Lebervenen und Aorta, sondern auch krankhafte Veränderungen wie Tumoren oder Aszites (Flüssigkeitsansammlungen im Bauchraum) erfasst werden. In der Studie wurden drei hochmoderne Deep-Learning-Modelle verglichen: zwei Varianten des etablierten nnU-Net und das neuere Swin UNETR.

Die Leber im MRT – eine besondere Herausforderung
Das MRT ist ein hervorragendes bildgebendes Verfahren, aber nicht ohne Tücken. Anders als bei der Computertomographie (CT) gibt es keine einheitliche Skala, anhand derer sich Gewebearten zuverlässig unterscheiden lassen. Hinzu kommt:

  • Leber, Gefäße und kleine Tumoren zeigen nur geringe Kontraste, sie unterscheiden sich also kaum
  • die Bildqualität leidet unter Bewegtbildartefakten, z. B. durch Atmung
  • viele Strukturen wie Tumore und Gefäße sind sehr klein und variabel
  • die manuelle Auswertung ist mühsam, zeitintensiv und subjektiv

Künstliche Intelligenz: schneller und präziser
Deep Learning umfasst verschiedene Arten von KI-Modellen, die aus Trainingsdaten lernen, um Muster automatisch zu erkennen. In der medizinischen Bildgebung bedeutet das: Ein KI-Modell wird schrittweise mit Bildern trainiert, beispielsweise mit MRT-Aufnahmen, auf denen Tumoren von Radiologinnen manuell markiert sind. Dabei lernt es nach und nach, bestimmte Strukturen selbstständig zu erkennen. 

„Für jeden Lerndurchgang wird ein sogenannter Loss berechnet – ein Maß für die Abweichung. Ziel des Trainings ist es, diesen Loss schrittweise zu minimieren. Um dies zu erreichen, werden die Modellparameter laufend angepasst, bis das Netzwerk möglichst präzise Segmentierungen liefert“, sagt Dr. Florian Raab. Kurz gesagt schaut sich die KI viele „beschriftete“ Beispiele an, also Bilder, bei denen schon bekannt ist, was genau zu sehen ist, und lernt daraus, neue, bislang unbeschriftete Bilder eigenständig zu analysieren und zu segmentieren. Dadurch wird die Auswertung schneller, objektiver und oft auch präziser als bei einer rein manuellen Analyse.

Drei verschiedene Deep-Learning-Modelle
In der Studie wurden drei verschiedene Deep-Learning-Modelle getestet:
Das nnU-Net ist eine Weiterentwicklung des sehr erfolgreichen KI-Modells U-Net, das speziell für die medizinische Bildanalyse entwickelt wurde. Es wird oft als das „Schweizer Taschenmesser” unter den medizinischen KI-Modellen bezeichnet, da es sich sehr flexibel an verschiedene Aufgaben anpassen lässt, ohne dass eine aufwendige manuelle Einstellung erforderlich ist. Es funktioniert auch bei kleineren Datensätzen zuverlässig und erkennt beispielsweise Gewebegrenzen oder Organkonturen sehr gut.

Das ResEnc nnU-Net basiert auf dem klassischen nnU-Net, verwendet aber eine etwas andere Architektur mit so genannten residuellen Verbindungen. Man kann sich diese wie zusätzliche „Brücken“ vorstellen, die dabei helfen können, bestimmte Bildinformationen stabiler zu verarbeiten – insbesondere bei komplexen Strukturen. „In unserer Studie zeigte sich jedoch, dass diese Erweiterung nicht automatisch zu besseren Ergebnissen führt“, sagt Florian Raab.

Das dritte getestete Modell, Swin UNETR, arbeitet mit einer ganz anderen Technik, den sogenannten Transformern. Diese wurden ursprünglich für Sprach-KI entwickelt, also beispielsweise für Programme wie ChatGPT. Inzwischen nutzt man sie aber auch für Bilder, da sie besonders gut darin sind, größere Zusammenhänge im Bild zu erkennen, beispielsweise die Lage mehrerer Organe zueinander. „Diese Technik hat großes Potenzial, vor allem bei sehr großen und gleichmäßigen Datensätzen. In medizinischen Studien, wie auch in unserer, sind solche großen Datenmengen leider nicht immer vorhanden“, sagt Florian Raab. 

Das Ergebnis der Studie zeigt, dass das klassische nnU-Net am besten abschneidet

„Es bringt viele etablierte Voreinstellungen und bewährte Vorverarbeitungsschritte mit, die sich bei vielfältigen medizinischen Bilddaten bewährt haben. Eine eindeutige Aussage, warum es in unserem Fall am besten abgeschnitten hat, wäre jedoch spekulativ, denn es gibt zu viele Einflussfaktoren: Architekturdetails, Trainingsdynamik oder datensatzspezifische Eigenschaften zum Beispiel“, so Florian Raab.

KI in der Auswertung von MRT-Bildern der Leber
Der mögliche Einsatz von KI bei der Auswertung von MRT-Bildern ist vielfältig. Die automatisierte Segmentierung kann Ärztinnen und Ärzte in vielen Bereichen unterstützen:

  • bei der Operationsplanung: Wie viel Lebergewebe und damit Leberfunktion bleibt nach der Entfernung eines Tumors erhalten? Die KI hilft etwa bei der präzisen Volumenbestimmung
  • in der Tumorbehandlung: Größe und Lage von Tumoren lassen sich schnell erfassen und im Zeitverlauf zuverlässig vergleichen
  • im Langzeit-Monitoring: Bei chronischen Lebererkrankungen kann die Entwicklung objektiv dokumentiert werden
  • in der Unterstützung von bildgesteuerten Eingriffen: Beispielsweise bei minimal-invasiven Behandlungen mit Echtzeit-MRT-Kontrolle von Organbewegungen.

Von der Struktur zur Funktion
In einem nächsten Schritt soll die KI nicht nur Strukturen erkennen, sondern auch Rückschlüsse auf die Leberfunktion aus den Bilddaten ziehen können. Erste Ergebnisse dazu lieferte die Dissertation von Florian Raab, eine weiterführende Veröffentlichung ist aktuell in Vorbereitung. Parallel dazu arbeitet er an vergleichbaren KI-Ansätzen für andere Organe.

Florian Raabs Vision ist eine intelligente Bildauswertung, die sich flexibel an unterschiedliche klinische Fragestellungen anpassen lässt.

Künstliche Intelligenz auf dem Weg in die Klinik
Für Florian Raab steht fest: KI-Modelle wie die in der Studie untersuchten werden in Zukunft ein fester Bestandteil der medizinischen Bildauswertung sein. Zwar werde das nicht von heute auf morgen zur Routine, doch die Entwicklung sei bereits in vollem Gange – sowohl in Forschungseinrichtungen als auch in der Industrie. Einige Hersteller von MRT-Scannern bieten bereits integrierte KI-Lösungen an und es gibt Unternehmen, deren KI-gestützte Software sogar schon als Medizinprodukt zugelassen ist. Doch bevor auch wissenschaftlich entwickelte KI-Modelle flächendeckend im Klinikalltag eingesetzt werden können, müssten noch einige Hürden genommen werden, so der Physiker.

So sind große klinische Studien notwendig, in denen überprüft wird, ob die KI auch unter verschiedenen Bedingungen und bei unterschiedlichen Patientengruppen zuverlässig funktioniert, also nicht nur im Forschungslabor, sondern auch im echten Klinikbetrieb.

Darüber hinaus ist eine offizielle Zulassung als Medizinprodukt erforderlich. In Europa geschieht dies im Rahmen der Medizinprodukteverordnung (MDR), die sicherstellt, dass neue Technologien sicher und wirksam sind.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die technische Integration in die bestehende Krankenhaussoftware. Die KI muss sich nahtlos mit Systemen wie dem Bildarchiv (PACS), das Radiologinnen und Radiologen täglich nutzen, verbinden lassen, damit sie im Arbeitsalltag tatsächlich praktikabel ist.

Schließlich braucht es Studien, die den tatsächlichen Nutzen der Technologie belegen. Es muss also gezeigt werden, dass der Einsatz der KI im klinischen Alltag spürbare Vorteile bringt, beispielsweise Zeit spart, zu genaueren Diagnosen beiträgt oder die Behandlungsergebnisse für Patientinnen verbessert. „Wenn diese Punkte erfolgreich umgesetzt sind, können solche Modelle auch im klinischen Alltag genutzt werden“, ist sich Florian Raab sicher.

Fazit: Künstliche Intelligenz kann nicht nur schneller, sondern oft auch genauer sein als der Mensch – zumindest bei der Segmentierung von Leberstrukturen im MRT. Die vorgestellte Studie zeigt eindrucksvoll, welches Potenzial in gut trainierten Deep-Learning-Modellen steckt. Der Weg in die Routine ist zwar noch weit, aber er ist bereits eingeschlagen.

Kontakt 

Dr. Florian Raab
Institut für Röntgendiagnostik
Universitätsklinikum 
Regensburg
E-Mail: Florian.Raab@ukr.de

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