„Wie findet eine Stechmücke ihr Opfer? Und was hält sie davon ab?“ Die Beantwortung dieser scheinbar einfachen Fragen war ein wichtiges Thema von Dr. Martin Geier und einigen seiner Kollegen am Institut für Zoologie der Universität Regensburg. Mehr als zwölf Jahre lang analysierten sie hier verschiedenste Duftquellen und Substanzen, beobachteten das Verhalten von Stechmücken in unterschiedlichen Versuchsaufbauten und Umgebungen, klärten nach und nach wichtige Schlüsselfaktoren auf und verstanden damit das Verhalten dieser gefährlichen Krankheitsüberträger immer besser.

Im Jahr 2000 traf Dr. Martin Geier Dr. Alvaro Eiras auf dem Internationalen Kongress für Entomologie (ICE) in Brasilien. Dies war der Beginn einer langjährigen Zusammenarbeit für angewandte Forschung und die Entwicklung neuer Produkte. Als Ergebnis dieser Zusammenarbeit gründeten Dr. Martin Geier und sein Kollege Dr. Andreas Rose mit Dr. Alvaro Eiras im Jahr 2002 die Firma Biogents.

Wir wollten wissen, was damals für die Gründung wichtig war und haben bei Dr. Andreas Rose, Vorstand der Biogents, nachgefragt.

Dr. Andreas Rose  © Biogents AG

Dr. Andreas Rose, dieses Jahr gilt als besonders mückenreich, woran liegt das?

Durch die Überschwemmungen in den letzten Wochen drückt das Grundwasser nach oben, sodass sehr viele vorübergehende Feuchtbiotope entstehen. Das Problem sind die so genannten „Überschwemmungsmücken“. Das sind Mückenarten, die ihre Eier im Boden ablegen. Ihre Larven schlüpfen, wenn die Eier unter Wasser gesetzt werden und es warm genug ist. Überschwemmungsmücken warten manchmal jahrelang auf eine solche Gelegenheit und können dann fast schlagartig in riesigen Mengen auftreten.

Was macht Biogents?

Wir stellen Stechmückenfallen her – und schützen damit Menschen vor lästigen Mücken und Krankheitsüberträgern. Unsere Fallen verwenden private und professionelle Kunden, um Stechmücken lokal zu bekämpfen und Wissenschaftler, um Stechmückenpopulationen zu überwachen.

Welche Voraussetzungen gab es für die Gründung?

Dr. Martin Geier, Vorstandsvorsitzender der Biogents, hat in seiner Diplom- und Doktorarbeit untersucht, wie man Gelbfiebermücken (Aedes aegypti) chemisch anlocken kann. Gelbfiebermücken sind einerseits wichtige Krankheitsüberträger, andererseits lassen sie sich aber auch gut züchten.

Welche Vision gab es bei der Gründung?

Es gab damals meist nur sehr einfache Ventilator-Fallen. Mücken, teilweise angelockt mit Trockeneis, wurden eingesaugt. Wirksame Fallen für Gelbfiebermücken und ihre nahe Verwandte, die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), gab es gar nicht. Unsere Vision war, Fallen zu entwickeln mit denen sich Stechmücken spezifisch, effizient und umweltfreundlich fangen und bekämpfen lassen. Wir wollten Alternativen zum Einsatz von Insektiziden schaffen. Stechmücken sind im Übrigen nicht nur lästig, sondern auch mögliche Überträger von Krankheitserregern die Gelbfieber, Dengue, Zika, West-Nil-Fieber oder Chikungunya auslösen können. Sie sind deshalb ein ernstzunehmendes Thema.

Was ist aus dieser Vision geworden?

Wir haben tatsächlich einen neuartigen Typus einer Stechmückenfalle entwickelt, die genau das ermöglicht. Sie wurde recht schnell zum Goldstandard in der Wissenschaft, um Gelbfiebermücken und Tigermücken zu fangen – etwa um ihre Anzahl in einem bestimmten Gebiet zu überwachen oder zu überprüfen, ob sie Krankheitserreger in sich tragen. Bald zeigte sich dann, dass dieser Fallentypus so gut fängt, dass er sich auch für die Bekämpfung von Mücken in Kommunen und Privathaushalten nutzen ließ.

Was war für die Gründung wichtig?

Wir hatten einen guten Draht zu Wissenschaftlern und haben da von Anfang an ein gutes Feedback bekommen, mit dem wir die Fallen weiter optimieren konnten. Und wir hatten ein gutes biologisches Wissen. Das war wichtig, denn eine umweltfreundliche Mückenbekämpfung ist nicht so einfach, wie Insektizide vom Hubschrauber aus zu verteilen.

Welche Unterstützung gab es von der Uni?

Wir haben Studentenkurse betreut und bekamen dafür einen leerstehenden Kellerraum für unsere Mückenzucht und ein kleines Büro, das wir zu Dritt nutzen konnten. In dieser Zeit sind mit Mitteln der Universität zwei grundlegende Patente entstanden, für die wir im Anschluss Lizenzgebühren an die Universität zurückgezahlt haben. Nach unserem Wissen sind wir gemessen an den Lizenzgebühren, die die Universität von uns erhalten hat, die erfolgreichste Ausgründung. Die Uni hat uns damals die Freiheit gegeben, uns mit wenig Aufwand auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln – und das ist auch die wichtigste Unterstützung, die man meiner Meinung nach in einer solchen Phase benötigt. Dadurch waren wir von Anfang ab unabhängig von Geldern von Investoren und trotzdem war unser Risiko überschaubar. Wenn etwas schiefgelaufen wäre, hätten wir nur das Geld für die Gründung unserer GmbH verloren.

Woher kamen die notwendigen betriebswirtschaftlichen Kenntnisse?

Von einem Halb-Jahres Kurs für Entrepreneurship. Wesentlich wichtiger war aber, Zeit zu haben, um Erfahrungen zu sammeln und sich mit der Lösung aktueller Probleme zu beschäftigen.

Was war der größte Stolperstein?

Genug Geld für uns und unsere Mitarbeiter zu verdienen. Wir hatten keine Investoren, sodass wir nicht aus dem Vollen schöpfen konnten. Allerdings haben wir von Anfang an Auftragsforschung als Dienstleistung angeboten – etwa Mückenschreckstoffe für die Entwicklung oder Zulassung zu testen, sodass wir die ersten Jahre finanziell überbrücken konnten. Zusätzlich hatten wir allerdings noch Mittel vom Arbeitsamt und vom FLÜGGE-Programm, das seinerzeit beim Bayerischen Wissenschaftsministerium angesiedelt war, mit denen wir unseren Unterhalt bestreiten konnten.

Wie wichtig ist das Thema Internationalisierung?

Sehr wichtig. Wir haben anfangs unsere Fallen nur im Ausland verkauft, erst nach einigen Jahren sind auch Kunden in Deutschland dazu gekommen. Inzwischen sitzen unsere wichtigsten Partner in Frankreich.

Was ist die aktuelle Herausforderung?

Es ist nach wie vor nicht einfach, die Fachwelt zu überzeugen. Die Schädlingsbekämpfer arbeiten mit Insektiziden und das Verständnis, dass sich dadurch Resistenzen bilden und die Mücken nach einer Weile unempfindlich gegen die eingesetzten Mittel werden, ist bei vielen immer noch nicht angekommen.

Und der größte Erfolg?

Der größte Erfolg ist sicher, dass Biogents mittlerweile Marktführer bei Mückenbekämpfungsprodukten im französischen Endverbrauchermarkt ist. Auch der zeigt: Biogents-Fallen, richtig platziert, können verwendet werden, um Stechmücken lokal zu bekämpfen.

Ein weiterer großer Erfolg für uns ist, dass sich unsere BG-Sentinel-Falle für professionelle Anwendungen zum Goldstandard für das Fangen von Tigermücken und zunehmend auch für andere Mückenarten entwickelt hat und dass Profis und Spezialisten sie weltweit in ihrer täglichen Arbeit einsetzen. Die Falle taucht inzwischen in Hunderten von wissenschaftlichen Veröffentlichungen auf.

Und was uns auch sehr freut: Inzwischen gibt es Urlaubs-Resorts und Inseln auf den Malediven, den Seychellen oder in der Karibik, die durch ein intelligentes Konzept aus mehreren zusammengeschalteten Biogents-Fallen auf das regelmäßige Sprühen von giftigen Insektiziden verzichten können. Das hat viele Vorteile für die Natur und Umwelt. Teilweise war die Insektenfauna vor Ort fast vollständig ausgelöscht, aber die Populationen erholten sich schnell, Vögel und Reptilien, die sich von Insekten ernähren fanden wieder Nahrung und der Gartenbau profitierte davon, dass wieder mehr Insekten für die Bestäubung von Obstbäumen und Gemüsepflanzen zur Verfügung standen. Zusätzlich konnten die Betreiber der Resorts die Kosten für die Bekämpfung der Mücken auf die Hälfte reduzieren.

Was ist das nächste Ziel?

Dieses Konzept möchten wir verbessern und verbilligen, so dass es zunehmend auch von Endkunden aber auch von Dörfern oder Städten eingesetzt werden kann. Besonders interessant ist dabei auch die Kombination der Biogents-Fallen mit der sterilen Insekten-Technik. Dabei wird die Population der Stechmücken heruntergedrückt und dann sterile Männchen freigesetzt. Die sterilen Männchen paaren sich mit den Weibchen und diese legen dann Eier, die aber nicht befruchtet sind.  Das könnte ein Ansatz sein, um in Großstädten etwa in Asien, das Sprühen giftiger Insektizide abzulösen.

Eine insektizidfreie Welt?

Insektizide kann man mit Antibiotika vergleichen. Wenn man sie dauerhaft einsetzt, entstehen bei den Schadinsekten Resistenzen und zusätzlich sterben viele nützliche Organismen. Wenn sie aber notwendig sind, können sie Leben retten. Wenn beispielsweise in Regensburg Dengue-Fieber ausbrechen würde, dann wären die Biogents-Fallen für die Überwachung und lokale Bekämpfung gut, aber dort wo Mücken mit dem Erreger gefunden wurde, würde ich aber auch sicher noch zusätzlich Insektizide einsetzen, um eine weitere Verbreitung der Erreger zu verhindern.

Was war das größte Learning in der Gründungsphase?

Dass wir den Markt, den wir am besten kannten – andere Wissenschaftler – am Anfang auch am besten bedienen konnten. Das war für uns ein Einstieg, der gut funktioniert hat.

 Gibt es Tipps für Neugründer?

Das Finanzierungskonzept sollte gesichert und möglichst wenig von anderen abhängig sein. Wenn es möglich ist, würde ich raten möglichst keine Schulden zu machen. Damit man ohne größere Belastungen aus der Sache rauskommt, wenn es doch schieflaufen sollte. Es gibt aber sicher auch Fälle, in denen es besser ist, mit Investoren zusammen zu arbeiten. Deshalb ist auf jeden Fall gut, sich anfangs umfassend beraten zu lassen.

Bei öffentlichen Förderungen besteht die Gefahr nur noch zu schauen, welche Voraussetzungen man als nächstes erfüllen muss. Letztlich darf man sein Ziel aber nicht aus den Augen verlieren und muss sich immer auf den Markt hin ausrichtet.

Der wichtigste Tipp ist aber sicher, nicht allein zu gründen, sondern mit jemandem, den man gut kennt und mit dem man sich gut ergänzt, so dass man die Stärken des anderen nutzt und seine Schwächen kennt und akzeptiert. Die Aufgaben sollten so aufgeteilt sein, dass sich jeder mit seinen grundlegenden Talenten wiederfindet. 

Mitteilung auf der UR-Seite:

Mitteilungen der Universität Regensburg - Universität Regensburg

 

Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) ©Biogents AG   

Steht eine Biogents-Mückenfalle im Garten?

Ja, vor allem, um die Wirksamkeit Neuentwicklungen zu testen und zu verglichen.

Welche Rolle spielen Mücken im Privatleben?

Ich werde dauernd zu Mücken gefragt, weil ich mich damit halt auskenne. Ich finde sie faszinierend und auch schön– es gibt rund 3500 Arten und die bieten ein überraschend vielfältiges Spektrum an Lebensweisen. Ich probiere auch immer wieder Pflanzen und natürliche Düfte aus, die angeblich Mücken abschrecken. Leider ist es nicht einfach etwas zu finden, was gut funktioniert. Wenn dann würde sich so etwas mit Biogents-Fallen sehr gut ergänzen.

Was ist die erste Tätigkeit am Arbeitsplatz morgens?

Einen Ostfriesen-Tee mit Milch trinken.

Die aktuelle Lektüre?

Abends lese ich meiner Tochter im Moment ein Kapitel aus dem Kleinen Wassermann von Ottfried Preussler vor. Ich selbst habe gerade „Factfulness“ von Hans Rosling beendet und „Der Rosinenkönig oder: Von der bedingungslosen Hingabe an seltsame Passionen“ von Fredrik Sjöberg angefangen.

 

Daten und Fakten zur Biogents AG, Stand 2024:

  • 2002 gegründet aus dem Institut für Zoologie der damaligen Naturwissenschaftlichen Fakultät III – Biologie und Vorklinische Medizin
  • 40 Mitarbeiterinnen & Mitarbeiter
  • 6 verschiedene Fallenmodelle
  • Zulassung der Lockstoffe in Europa und USA
  • Marktführer in Frankreich bei Mückenbekämpfungsprodukten
  • Über 1 Million verkaufter Fallen und Lockstoffe in über 100 Länder
  • https://eu.biogents.com

 

Kontakt:

Dr. rer. nat. Karoline Stürmer
Universität Regensburg
93053 Regensburg
Tel: +49 (0)941 943 2352
E-Mail: Karoline.stuermer@ur.de

BioGents AG
Dr. Andreas Rose
An der Irler Höhe 3a
93055 Regensburg
Deutschland
Tel: +49 (0) 941 945833
E-Mail: andreas.rose@biogents.com

 

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